Im Kino: "Enemy": Ich und Ich
Jake Gyllenhaal trifft seinen Klon: In Denis Villeneuves "Enemy" wird das schöne alte Doppelgänger-Motiv wiederbelebt - leider auf allzu verwirrende Weise.
Die Gewissheit der eigenen Einzigartigkeit ist ein Grundpfeiler des menschlichen Selbstbewusstseins und das Spiel mit dem Doppelgänger eine beliebte Angstfantasie des Kinos. In seinem neuen Film „Enemy“ lotet der frankokanadische Regisseur Denis Villeneuve ("Die Frau, die singt") das Krisenpotenzial aus, das in der Entdeckung der Klon-Version seiner selbst liegt. Der Hochschuldozent Adam (Jake Gyllenhaal) referiert in Seminaren gelangweilt über das Wesen von Diktaturen, Hegel und die Chaostheorie. Freudlos ist auch sein Privatleben in einer gesichtslosen Wohnwabe irgendwo im versmogten Toronto. Abends kommt die Freundin (Melanie Laurent) vorbei. Man trinkt zusammen Rotwein im Stehen, geht nacheinander zu Bett und findet keinen gemeinsamen Beischlafstil.
Als Adam in ruheloser Nacht ein Video mit dem schönen Titel „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ einlegt, entdeckt er in der Statistenrolle eines Hotelpagen das genaue Abbild seiner selbst. Ein paar Mausklicks später hat er den Schauspieler Daniel Saint Claire ausfindig gemacht und beginnt, den Doppelgänger zu stalken. Bei einem ersten Date gibt sich die Kopie deutlich selbstbewusster als das Original und beim nächsten Zusammentreffen fordert Daniel vehement einen Freundinnentausch ein. Aber das ist nur der Plot und der macht in „Enemy“ nur einen Bruchteil der intellektuellen Konstruktion aus. Villeneuve, der hier den Roman „Der Doppelgänger“ von José Saramago adaptiert, streut in sein Identitätsverwirrspiel immer wieder verstörende Bilder und Szenenelemente ein. Da thront plötzlich eine gigantische Spinne über der Skyline von Toronto; ein Tier derselben Gattung gehört auch zum Ensemble einer bizarren Peepshow, zu der sich Adam und einige andere Männer anfangs in einem Kellerraum versammeln.
Die Aufnahmen aus den urbanen Betonkulissen sind mit schwefelgelbem Licht durchzogen. Auf der Tonspur sorgen Streicher mit eifrigen Disharmonien für lauerndes Unbehagen. Kafka, Hitchcock, Lynch, Cronenberg – alle heftig anwesend in diesem Film. Aber im Gegensatz zu seinen Vorbildern gelingt es Villeneuve auf seinem Trip durchs Unterbewusste nicht, den Kontakt zu den Figuren herzustellen und mit seinen surrealen Stilmitteln Gefühlsschleusen zu öffnen. Intellektuelle Verrätselung und emotionale Gleichgültigkeit gehen in „Enemy“ eine fruchtlose Allianz ein. „Chaos ist Ordnung, die noch nicht entschlüsselt ist“, heißt es zu Beginn des Films. Die Lust am Entschlüsseln verebbt schon bald.
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