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Architekt Chipperfield
© dpa

David Chipperfield: "Ich bringe die Architektur wieder zurück zur Säule"

Der Architekt David Chipperfield erläutert im Tagesspiegel-Gespräch seinen Entwurf für das Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel.

Mister Chipperfield, anders als im ersten Entwurf sieht die James-Simon-Galerie jetzt wie ein Verbindungsgebäude zum Pergamonmuseum aus. Wie kommt das?

Der Sockel stellt die Verbindung zum Pergamonmuseum her. Das andere dominante Elemente sind die Kolonnaden, die das Gebäude mit dem Neuen Museum verknüpfen. Auf diese Weise haben wir auf jedem Geschoss eine Verbindung zu einem der Häuser. Der erste Entwurf war eher eine Einkaufsliste, um die verschiedenen Anforderungen zu definieren. Das brachte eine programmatische Klärung und trieb das Projekt im Parlament voran.

Hatten Sie also gar nicht vor, den ersten Entwurf zu verwirklichen?

Doch, aber er hatte noch nicht diese analytische Durchdringung. Während dieses Prozesses haben wir uns immer gefragt: Was ist der Zweck des Gebäudes? Der Begriff Eingangsgebäude war ebenso hilfreich wie hinderlich. Wir haben gemerkt, dass wir Funktionalität durch Nichtfunktionales konterkarieren müssen. Es entsteht eine Art positiver Nutzlosigkeit, indem das Gebäude einfach einen Raum bildet. Dadurch ergibt sich ein Bezug zu Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie, die mit der Halle im Obergeschoss ebenfalls einen nutzlosen Raum hat, der zum öffentlichen Ort wird. Das Gebäude bezieht sich auf den antiken Tempel. Mies schaute sich das bei Schinkel ab und Schinkel von Athen. Die Museumsinsel beruht auf der Idee der Akropolis. Da lag es nahe, das Eingangsgebäude wie einen Tempel aussehen zu lassen.

Noch scheinen Sie für Änderungen wie die Durchfensterung des Sockels offen zu sein.

Wir sind erst am Anfang. Einerseits sind wir überzeugt von der Solidität des Sockels, andererseits könnte eine Durchfensterung für die dahinter gelegenen Räume günstig sein. Die Frage lautet: Geht das, ohne das Konzept zu unterlaufen? Die griechischen Tempel hatten nun mal keine Fenster im Sockel.

Auch die Gesamthöhe dürfte strittig sein. Woher kommen Ihre Proportionen?

Die Basis ist festgelegt durch das Ausstellungsgeschoss von Messels Pergamonmuseum. Ein Gebäude auf dieser Basis muss eine bestimmte Höhe haben, sonst wirkt es nicht. Kritik an der Höhe kann ich nicht akzeptieren, weil im 19. Jahrhundert nie eine Westansicht des Neuen Museums geplant war. Das Museum hat seine Hauptansicht von der anderen Seite her. Wir schaffen jetzt erst einen Auftritt für die Westseite. Die Definition der Architektur auf der Museumsinsel kommt vom Wasser her, sie ist eine Flussarchitektur. Wir bilden nun diese neue Front.

Gibt es eine Hierarchie unter den Gebäuden auf der Museumsinsel?

Das Pergamonmuseum ist der Elefant im Zimmer, der seinen Kopf aus dem Fenster hält. Deshalb ist meine Lösung auch so clever, weil sie die Dominanz des Pergamonmuseums herausfordert. Wenn man nicht aufpasst, zerfällt die Museumsinsel in nördliche und südliche Gebäude. Auf der einen Seite das Alte und das Neue Museum und die Alte Nationalgalerie, auf der anderen Pergamon- und Bodemuseum. Es besteht die Gefahr, dass die Besucher nur ins Pergamonmuseum gehen. Unsere Ausgangsfrage lautete: Wie können wir die Besucher verteilen?

Was bedeuten Tempel für Sie? Kolonnaden gibt es auch bei der Marbacher Bibliothek.

Ich bin an archaischen Qualitäten interessiert, Ich bringe die Architektur wieder zurück zur Säule, ich reduziere auf das Wesentliche. Es geht darum, Architektur zwischen Funktion im Inneren und Raum im Äußeren zu schaffen. Marbach ist letztlich ein kleines Gebäude, umgeben von Raum, der nicht wirklich nützlich ist. In der Geschichte ist gerade dieser Raum von Bedeutung: der Kreuzgang, die Halle. Die Leere lädt sich mit Bedeutung auf.

Das Gespräch führten Nicola Kuhn und Christina Tilmann.

Der britische Architekt David Chipperfield, 53, baut u.a. das Literaturmuseum Marbach, die Erweiterung des Folkwang-Museums Essen und das Berliner Galeriegebäude für Heiner Bastian.

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