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Kultur: Hunger nach Meisterwerken

Ein Preishoch für Gustav Klimt, Flops bei Degas: die New Yorker Moderne-Auktionen

Während der New Yorker Auktionen brach der Kunstmarkt an einem der Abende kurz ein, raffte sich dann aber wieder auf. Es war genau wie zur Londoner Frieze vor wenigen Wochen, bloß ging der positive Impuls diesmal von Sotheby’s aus. Die Auswahl des Auktionshauses mag besser gewesen sein als bei Christie’s am Abend zuvor, wo zum Schrecken aller fast 40 Prozent der Lose floppten. Noch wichtiger aber waren die richtigen Schätzungen. Zwei Spitzenwerke wurden mit einer Preiserwartung von jeweils mindestens 25 Millionen Dollar ins Rennen geschickt. Für das einmalige Landschaftsbild „Litzlberg am Attersee“ von Gustav Klimt war das ein Schnäppchenpreis. Für die Ballerina-Skulptur von Edgar Degas, von der es 26 Exemplare gibt, wäre es dagegen ein himmelhoher Rekordpreis gewesen

Man sah, was Schätzungen ausmachen: Bei Christie’s blieb die Einnahme mit 130 Millionen Dollar weit hinter den Erwartungen zurück. Bei Sotheby’s blieben weniger als 20 Prozent der Lose unverkauft, und die Gesamteinnahme von knapp 200 Millionen Dollar erfüllte die Schätzung bequem. Wenn der Markt nach Meisterwerken hungert, ist man doch auch in Höhen preisbewusst , wo es auf eine Million mehr oder weniger nicht anzukommen scheint. Klimts Landschaft, eine Symphonie in Grün aus der Sommerfrische 1914, wäre mit 25 Millionen Dollar so billig gewesen wie seit 1997 keine der begehrten Landschaften des Malers. Seither wurde Klimts Markt durch eine Reihe von Restitutionen angeheizt. Auch die Landschaft, die zuletzt im Salzburger Museum der Moderne hing, wurde dem Erben der von den Nationalsozialisten deportierten Amalie Redlich erst im Frühjahr zurückgegeben. Als neuer Besitzer des Bildes freute sich der Züricher Händler David Lachenmann darüber,, dass er nur 40,4 Millionen Dollar bezahlen musste. Privat, sagte er Journalisten, habe er im Sommer der Familie der Einlieferer deutlich mehr geboten. Dennoch ist es nun die zweitteuerste Landschaft des Malers.

Degas’ „Petite danseuse de quatorze ans“, die 103 Zentimeter große, postum gegossene Bronzeversion eines Wachsmodells ist ein Publikumsliebling. Immer wieder kamen in der Vergangenheit Exemplare auf den Markt, für Preise um die zehn Millionen Dollar. 2008 erzielte eines in London den Rekordpreis von 18 Millionen: Warum die Schätzung nun bei über 25 Millionen Dollar liegen sollte, blieb unerfindlich.

Christie’s reüssierte mit Surrealisten – sie sind in Mode, werden aber noch eher moderat gepreist. Max Ernsts „The Stolen Mirror“, eine surrealistische Fantasie, kostete statt der geschätzten vier bis sechs am Ende stolze 16,3 Millionen Dollar. Ein namenloser Händler zahlte per Telefon einen sagenhaften Preis von 5,1 Millionen Dollar für Picassos Grafik „La femme qui pleure“ – Dora Maar als Mater dolorosa. Bei Sotheby’s gab es Rekorde für „La Rêve“ der Kitschmeisterin Tamara de Lempicka (8,4 Millionen Dollar) und eine Landschaft von Gustav Caillebotte, gesehen durch die Seine-Brücke von Argenteuil, brachte mit 18 Millionen Dollar einen Superpreis.

Wenn Schönheit und Preis stimmen, ist die Kunst über jeden Finanzmarktschrecken erhaben, lautet die Maxime der Kunstinvestoren. Nächste Woche wird man sehen, ob es auch für die Auktionen der Contemporary Art gilt. Wieder scheinen einige Schätzungen überaus waghalsig. Christie’s erwartet für ein „Comic“-Gemälde von Roy Lichtenstein 35 bis 45 Millionen Pfund. Bei Sotheby’s ist eine Bilder-Gruppe des uramerikanischen abstract expressionism von Clyfford Still auf Rekordniveau taxiert, das teuerste 25 bis 35 Millionen Dollar. Dieser Verkauf, mit dem sich die Stadt Denver Geld beschaffen will, ist allerdings schon jetzt unter Dach und Fach – abgesichert durch eine Preisgarantie.

Matthias Thibaut

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