"Die Zauberflöte" bei den Bregenzer Festspiele: Höllenhunde überm See
Triumphaler Abschied vom Bodensee: David Pountney beschließt mit der "Zauberflöte" eine Rekordsaison bei den Bregenzer Festspielen.
„Die Zauberflöte“ ist wahrlich ein magisches Instrument: Es vermag nicht nur wilde Tiere zu besänftigen, auch auf Geschäftsführer wirkt es ungemein beruhigend. Wer Mozarts Volksoper programmiert, braucht sich um den Ticketverkauf nicht groß zu sorgen. Und so kommt es, dass David Pountney seine Intendanz bei den Bregenzer Festspielen wohl mit einer Rekordsaison beschließen wird, bei der die Wiederaufnahme der „Zauberflöte“ sagenhafte 29-mal über die Seebühne mit ihren 6800 Tribünenplätzen schallt. Das ist ein Triumph für den 66-jährigen Briten – einer, der zum Motto der diesjährigen Saison passt: Wien zartbitter.
Eigentlich hatte sich Pountney mit einer Inszenierung des Musical-Klassikers „Showboat“ vom Bodensee verabschieden wollen. Doch stattdessen musste er Verluste abtragen, die seine Entdeckung von Umberto Giordanos „André Chénier“ als Seespektakel gerissen hatte. Vor allem die Busveranstalter buchten nicht für ein Stück, das eben nicht jeder kennt. Pountney hatte mehr Vertrauen erwartet, auch zu seinem Credo „Kunst gehört nicht einem kleinen Kreis der Gesellschaft. Kunst ist ein Juwel, ein Reichtum, den man einem großen Publikum zugänglich machen muss.“
Um das auch realisieren zu können, muss „Der fliegende Engländer“ (so der Titel des gerade erschienenen Buchrückblicks auf Pountneys elf Bregenzer Jahre) seine Seebühne zu 90 Prozent auslasten. Anders lässt sich mit einem seit 1997 eingefrorenen Budget von 5,7 Millionen Euro kein Programm machen, das konsequent Populäres mit Uraufführungen flankiert. Heuer sind es gleich vier, gespeist aus den „Zauberflöten“-Erlösen. Seine „No-Escape-Policy“ nennt Pountney das mit sanfter Ironie. Daran wird man sich erinnern, wenn der Brite sein Klapprad der Marke Brompton einpackt, mit dem er die Distanzen der Seebühne durcheilte, das Regiebuch im Frontkorb. Den Charme des Kricket-Fans, in dessen Amtszeit selbst James Bond im Riesenauge des „Tosca“-Bühnenbildes „Ein Quantum Trost“ suchte, vermisst manch einer schon jetzt.
Nachfolgerin Elisabeth Sobotka schlägt andere Töne an
Kein Wunder, das seine Nachfolgerin Elisabeth Sobotka, die frühere Operndirektorin der Berliner Staatsoper und bis 2015 Intendantin in Graz, sich noch bewusst im Bühnenhintergrund hält. Doch das, was von ihrem Programm bis jetzt bekannt wurde, schlägt andere Töne am See an: Marco Arturo Marelli wuchtet Puccinis „Turandot“ auf die Seebühne, Stefan Herheim setzt „Hoffmanns Erzählungen“ im Festspielhaus in Szene. Das liest sich, als wolle Bregenz vor allem ein ganz normales Festival werden – unbelastet von Pountneys Vision, dass man in neue Opern ebenso selbstverständlich geht wie in aktuelle Kinofilme. Wenn man sein Publikum nur daran gewöhnt.
Die drei gigantischen Höllenhunde, die die „Zauberflöten“-Bühne umzingeln, stoßen ein infernalisches Fauchen aus, bös funkeln die Augen, aus ihren Schlünden quellen beißende Schwaden. Pountneys Papageno ist gar nicht feige, wenn er vor ihnen zusammenzuckt, er besitzt ein überaus realistisches Gespür für Gefahren. Ein heiterer Melancholiker, den man noch nie einen der prächtigen Puppenspielvögel hat fangen sehen. Papageno ist mit Markus Brück von der Deutschen Oper Berlin nicht nur trefflich besetzt, er steht auch als ein Beispiel dafür, wie es dem Intendantenregisseur gelingt, Intimität auf der Riesenbühne zu schaffen. Sie dient Pountney dazu, am Ende mithilfe von Luftakrobaten, verwunschenen Barken und allerlei Feuerwerk sämtliche Autoritäten hinwegzufegen. Wenn das kein starker Abgang ist! Falls die Festspiele künftig je in Seenot geraten sollten: Die „Showboat“-Kulissen liegen fertig im Lager. Und „Der fliegende Engländer“ würde es sicher noch ein Mal wissen wollen, wie weit er sie treiben kann, die Seegewohnheiten.
Weitere Aufführungen bis zum 25. August, Infos: www.bregenzerfestspiele.com