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Kultur: Hitlers Dienstleister

„Kraft durch Freude“ und „Neue Heimat“: Rüdiger Hachtmann porträtiert Robert Ley und dessen „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF).

Man vergisst leicht, dass Hitlers Reich nicht 1000 Jahre währte, sondern nur zwölf, wenn man betrachtet, in welchem Ausmaß es den Nationalsozialisten gelang, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft „gleichzuschalten“. Es dauerte nur ein Vierteljahr, bis sie am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser besetzt und Unternehmen, Immobilien und sonstiges Vermögen der freien Gewerkschaften – des ADGB und des AfA-Bunds der Angestelltengewerkschaften – kassiert hatten. Den christlichen Gewerkschaften wurde eine „freundliche“ Übernahme gewährt, während die Unternehmen der mit den Nazis verbündeten Deutschnationalen kaum angetastet oder mit unverändertem Personal weitergeführt wurden.

Das Instrument dieser umfassenden Gleichschaltung war die im Mai 1933 gegründete „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) unter Robert Ley, einem „alten Kämpfer“ der NSDAP seit 1924 und ihr Reichsorganisationsleiter seit 1932. Seine treuen Dienste als Leiter der Deutschen Arbeitsfront belohnte Hitler 1940 mit einer persönlichen Dotation von einer Million Reichsmark und ein letztes Mal mit der Bestätigung Leys im Amt durch sein „Politisches Testament“ vom April 1945. Obwohl Ley zu den 24 Hauptangeklagten im Nürnberger Prozess zählte, ist sein Name kaum mehr geläufig – wahrscheinlich, weil er noch vor Prozessbeginn in seiner Zelle Selbstmord beging und sein Fall nicht mehr zur öffentlichen Verhandlung kam.

Die Deutsche Arbeitsfront und die von ihr kontrollierten Unternehmen beherrschte Robert Ley „charismatisch“, wie Hachtmann in Anlehnung an Max Weber schreibt. Das muss ein zweifelhaftes Charisma gewesen sein, wenn ihn seine Zeitgenossen vor allem wegen seiner antisemitischen Tiraden und unter dem Spitznamen „Reichstrunkenbold" kannten. Lieber als an seine Person erinnerten sie sich an einige Unternehmen der DAF wie die Tourismusorganisation „Kraft durch Freude“, das Volkswagenwerk und die Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“. Auch der in der jungen Bundesrepublik populäre „Soziale Wohnungsbau“ war ursprünglich ein Schlagwort des „Reichsheimstättenwerks“ der Deutschen Arbeitsfront. Dahinter verbarg sich nach Hachtmann „ein Kampfbegriff, der immer weitere Kompetenzansprüche der Arbeitsfront und mit diesen den Ausbau des DAF-Baukonzerns legitimieren sollte“.

Robert Ley war darin durchaus erfolgreich, auch wenn die noch 1940 vollmundig verkündeten Versprechen großzügiger und gesunder „Volkswohnungen“ hinter den Erfordernissen der Kriegswirtschaft zurückstehen mussten. Stattdessen errichteten die DAF-Unternehmen massenhaft Behelfsheime für ausgebombte Volksgenossen und Baracken für „Fremdarbeiter“. Ein fragwürdiges Monopol erreichte die DAF-Barackenbau GmbH nur als Bauherrin und Verwalterin von Bordellbaracken für „Fremdarbeiter“: 1943 waren 60 solcher Bordellbaracken in Betrieb und weitere 50 im Bau – der „charismatische“ Robert Ley war gewissermaßen oberster Zuhälter von 600 Prostituierten. Aber Hachtmann gebraucht, ganz im Sinne Max Webers, den Begriff Charisma wertneutral zur Charakterisierung einer autokratischen Herrschafts- und Verwaltungspraxis, die sich über bürokratische Regeln und Kontrollmechanismen hinwegsetzt und ihre internen Organisationsentscheidungen voluntaristisch trifft. Das verleiht ihr eine eigentümliche Dynamik, mit der sie sich populistisch in Szene setzt.

An Dynamik hat Ley es nicht fehlen lassen, und für die Verwaltung seines zusammengerafften Imperiums hatte er seine Leute. Sie kamen bevorzugt aus der nach seinem Geburtsort so genannten „Waldbröler Clique“ – wie Heinrich Simon als Leiter der Treuhandgesellschaft für die Wirtschaftsunternehmen der DAF. An seine Seite trat 1938 Hans Strauch, aus Hachtmanns Sicht die neben Simon entscheidende Figur des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront. Strauch war Vorsitzender des Aufsichtsrats aller wichtigen Versicherungsgesellschaften der DAF – unter anderen Volksfürsorge, Deutscher Ring und Deutsche Sachversicherungs AG –, sämtlicher Verlage der Arbeitsfront und ihrer wichtigsten Bau- und Wohnungsgesellschaften und seit 1943 auch der Volkswagenwerk GmbH.

Die DAF war kein gewöhnlicher Konzern, sondern wirtschaftete im Parteiauftrag als politische Organisation der „Volksgemeinschaft“, die sowohl Arbeitnehmer wie Unternehmer umfasste und nichtarische „Volksgenossen“ ausschloss. Im Frieden verstand sie sich als „volksgemeinschaftlicher Dienstleister“, im Krieg als Rückgrat der deutschen Kriegswirtschaft. Statt KdF-Schiffen baute die DAF-Vulkanwerft U-Boote und das VW-Werk Kübelwagen für den Endsieg. Kriegswichtig wurde auch das Deutsche Gemeinschaftswerk, das die Versorgung der Zivilbevölkerung und der Wehrmacht selbst in den besetzten Gebieten sicherstellte, aber ebenso an deren Ausplünderung beteiligt war. Leys Manager erwiesen sich auf allen Gebieten als so effektiv, dass sie schon bald nach 1945 wieder aktiv waren: Hans Strauch in seinem alten Beruf als Banker, andere als Rechtsanwälte, Architekten und Kommunalbeamte. KdF, Volkswagen und sozialer Wohnungsbau waren noch in guter Erinnerung, die DAF und ihr „Führer“ Ley rasch vergessen. Rüdiger Hachtmanns Werk schließt hier eine deutsche Gedächtnislücke.







– Rüdiger Hachtmann:
Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933- 1945. Wallstein-Verlag, Göttingen 2012. 710 Seiten, 49,90 Euro.

Hannes Schwenger

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