Internationaler Comic-Salon: Hip-Hop, Hacker, Heldencomics
Der Comicautor Ed Piskor erregt derzeit mit gleich zwei Büchern zur Geschichte der US-Populärkultur Aufsehen. Beim Comic-Salon Erlangen konnte man ihn kennenlernen - und erfahren, dass ihn vor allem Mangas inspirieren.
Es ist Ed Piskors zweiter Besuch in Europa. Auch seine Reise nach Deutschland verdankt er seiner Profession, denn der 31-Jährige geht da hin, wo das Interesse an seinen Comics ihn eben hinführt. In dem Künstlergespräch mit Harald Havas auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen erläuterte der US-Künstler seinen Werdegang, oder, um es gemäß der Sichtweise Piskors auszudrücken, seine Origin.
Prägend für seinen Werdegang sind der aus dem Jahr 1988 stammende Film „Comic Book Confidential“ von Ron Mann sowie die damals in jedem Gemischtwarenladen vorhandenen Drehständer voller Comic-Hefte.
Nicht nur die am Markt dominierenden Superheldenhefte faszinierten den jungen Ed, auch der im Film vorgestellte Robert Crumb beeindruckten ihn.
Er beschloss, eine Ausbildung an der damals in jedem Comic-Heft inserierenden Joe Kubert School zu absolvieren. Jedoch bewogen ihn die nach seiner Ansicht antiquierten Lehrmethoden im Hinblick auf den sich zu jener Zeit anbahnenden Umbruch von der analogen zur digitalen Technologie zum Aufhören und er arbeite fortan auf autodidaktischer Basis weiter. Während er, inzwischen auch von den Gebrüdern Hernandez beeinflusst, seine Fähigkeiten verfeinerte, bewarb er sich bei unabhängigen Verlagen wie Fantagraphics oder Kitchen Sink Press, jedoch ohne Erfolg.
Der im Film „Comic Book Confidential“ ebenfalls vorgestellte und mittlerweile verstorbene Harvey Pekar wurde ein weiterer Adressat seiner Arbeitsproben, doch von dem Comicautor, der viel mit Crumb zusammengearbeitet hatte, erhielt Piskor anfangs noch nicht mal ein Ablehnungsschreiben. Dies geschah jedoch nicht aus Desinteresse heraus, denn Pekar nahm sich Zeit zur Ansicht der Arbeiten Piskors.
Und so folgten bald erste kürzere gemeinsame Projekte, beginnend mit Kurzgeschichten, die sich nach und nach immer mehr erweiterten, bis hin zu 120 Seiten umfassenden Kollaborationen. Eines dieser Projekte kann übrigens auch in dem in Deutschland erschienenen Band „The Beats“ nachgelesen werden.
Eine der Hauptmotivationen in Piskors Schaffen entstammt dem Manga, denn, so Piskor, in Japan gäbe es sämtlichen gesellschaftlichen Aktivitäten huldigende Comics, ob es nun um Kochen oder Sport ginge, kein Aspekt des Alltagslebens, der sich nicht in irgendeiner Form dort wiederfände.
Und Hip-Hop, Thema seines kürzlich auf Deutsch veröffentlichten Buches „Hip Hop Family Tree“, ist eine sehr stark im amerikanischen Alltag verwurzelte Kulturform, genau wie Hackeraktivitäten, die von Piskor in „Wizzywig“ aufgegriffen werden, welches ebenfalls vor kurzem auf Deutsch erschienen ist. Nicht nur die Verwandtschaft von Hip-Hop und Comic, der sich in Battles, Pseudonymen und Fantasiekostümierungen zeigt, auch der Aspekt der im Hip-Hop verbreiteten Samplingkultur finden Widerhall speziell in den Superheldencomics. Bei Piskor zeigen sie sich im Kolorationsprozess; die Farben der Hip-Hop-Chronik entsprechen den üblichen Kolorierungen der Comics, die zu jener Zeit publiziert wurden. Besonders interessant dürften dann die 1990er Jahre des „Hip-Hop Family Tree“ werden, wenn Piskor sein Vorbild Rob Liefeld farblich zitieren wird.
Piskor wuchs auf in Pittsburgh, inmitten einer schwarzen Nachbarschaft, deren Erscheinungsbild von ihm als dem der Bronx nicht ganz unähnlich beschrieben wird. Neben den Comics faszinierte Piskor die Graffiti-Szene, deren nicht gerade zartbesaitete Auseinandersetzungen ihn wenig motivierten, in dieser Richtung künstlerisch aktiv zu werden: „I'm just a nerd who likes to hang out and draw.“
Da war der Comic natürlich geeigneter. Und Vaugh Bodés Arbeiten, welche stark von Graffiti und Street Art beeinflusst sind, stellen eine weitere Wurzel des gemeinsamem Stammbaums der Kunstformen dar, der sich im zeitgenössischen US-Comic unter anderem besonders stark bei Brandon Graham beobachten lässt, dessen Hip-Hop-Affinität kein großes Geheimnis ist. Viele Album-Cover oder deren Innenhüllen im Hip-Hop weisen solche Comic-Bezüge auf, jedoch wurmte es Piskor oft, dass die Mehrzahl dieser Elaborate eher auf Amateurniveau operierten - schließlich kann nicht jeder RZA aka Bobby Digital sein.
Nach seiner getweeteten Unzufriedenheit mit dem ersten Cover-Entwurf der deutschen Ausgabe von „Hip Hop Family Tree“ entschloss sich der Verleger zu einer Überarbeitung. Das übergroße Format, ein weiteres gesampletes Artefakt einer vergangenen Ära des US-Comics, der Oversized Treasury oder Collector's Edition, wurde jedoch nicht gänzlich dem Vorbild entsprechend umgesetzt. Piskor erwähnte bei der Diskussion der Farbzitate aus dem berühmten „Superman Vs. Muhammad Ali“-Bandes auch die auf dem Cover abgebildete Prominenz, wobei er Richard „Tricky Dicky“ Nixon kurzerhand der Pop-Kultur zuordnete, vermutlich der einzig vernünftige Umgang mit dieser einem Superschurken nicht ganz unähnlichen Figur.
Interessant ist, abgesehen von der thematischen Verwandtschaft innerhalb des Werkes Piskors, der Hacking als deckungsgleich mit dem Sampling begreift, dass Piskors Vorbild in Robert Crumb ebenfalls eine starke Affinität zur Musik besitzt und diese ebenso in sein Werk Eingang finden lässt.
Zum Ende des Künstlergesprächs äußerte Piskor noch seine Unverständnis über Marketingbegriffe wie Graphic Novels; ein immer noch nicht zu den Akten gelegter wunder Punkt in der Comic-Szene, was sich ja bereits am Donnerstagabend bei der Dankesrede Andreas Eikenroths anlässlich der Icom-Preisverleihung gezeigt hatte.
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