SCHREIB Waren: Hinter Büchern lauern Bücher
Steffen Richter verliert sich in labyrinthischen Bibliotheken
Es ist eine Art Gebot der „intellektuellen Korrektheit“, Bibliotheken toll zu finden. Schließlich schützen sie das bedrohte Kulturgut Buch, schließlich wabert in ihnen das Weltwissen. Sicher, für den Buchsammelort Bibliothek kann man sich begeistern. Doch gegen den Arbeitsort Bibliothek lässt sich einiges einwenden: Bücherstaub oder trockene Luft schlagen einem auf den Magen, meist darf man weder Tee trinken noch rauchen. Ganz zu schweigen von der Zumutung, ständig mit der Diskrepanz zwischen eigener Lebenszeit und der Menge der Bücher konfrontiert zu werden. Das Leben ist zu kurz, seufzt schon Anatol France, und Proust ist zu lang.
Über die Bibliothek als allumfassenden Textspeicher hat Jorge Luis Borges in der Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ das Nötige gesagt. Aus diesem abstrakten Gedankenexperiment ist in Umberto Ecos „Namen der Rose“ eine labyrinthische Bibliothek geworden, die mit etlichen kanonischen und apokryphen Texten bestückt ist. Immer wieder finden sich Autoren, die der Bibliothek neue Facetten abgewinnen können. Nun besucht der Argentinier Alberto Manguel, seit seiner „Geschichte des Lesens“ bekennender Bibliomane, Die Bibliothek bei Nacht (S. Fischer). Nachts nämlich verwandelt sich die systematische Ordnung der Bücher in eine assoziative, in der sich das Gelesene neu zusammensetzt. Manguel berichtet vom Bibliotheksbrand in Alexandria, den geheimen Minibibliotheken in Konzentrationslagern und von Eseln, die Bücher in abgelegene kolumbianische Provinzen transportieren. Vorgestellt wird das Buch am 3.12. (19 Uhr 30) in der Staatsbibliothek (Ost) Unter den Linden 8.
Dabei erzählen Bibliotheken oft ihre eigene Geschichte. Ohne die deutsche Teilung etwa gäbe es natürlich keinen Ost- und Westberliner Standort der Staatsbibliothek. Genauso wenig wie die Deutsche Bücherei in Leipzig und die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main, die heute gemeinsam die Deutsche Nationalbibliothek bilden. Insofern gehören auch Bibliotheken zu den Nachrichten aus der geteilten Welt. Um die geht es am 28.11. (20 Uhr) bei den Torgesprächen im Rahmen der Ausstellung „Beyond the Wall“ im Max-Liebermann-Haus (Pariser Platz 7). Dabei ergründen Reinhard Jirgl, Sibylle Lewitscharoff und Katja Lange-Müller, was es mit dem Schreiben im geteilten „Sehnsuchtsort Berlin“ auf sich hatte.
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