„Meteora“ von Spiros Stathoulopoulos: Himmelsstürmer
In „Meteora“ lieben sich eine Nonne und ein Mönch.
Mit Spiegeln senden sie einander Botschaften: Ich bin da, ich denke an dich, können wir uns treffen? Zwischen ihnen liegen steile Felsen – und das Gelübde. Ein griechischer Mönch und eine russische Nonne, von Liebe entflammt.
Sie sitzen unter einem Baum im Schatten. Theodoros hat etwas Besonderes zum Essen mitgebracht, gekochtes Ziegenfleisch (man sieht, wie ein Bauer dem Tier die Gurgel durchschneidet und das Fell abzieht) und eine Flasche. Da sind sie sich schon so nahe gekommen, dass es kein Zurück mehr gibt.
„Meteora“ heißt der meditative Film des griechisch-kolumbianischen Regisseurs Spiros Stathoulopoulos, und so heißt auch die Hauptdarstellerin: Meteora, die fantastische Landschaft in Mittelgriechenland, mit ihren wie Pilze aufschießenden Plateaus. Auf diesen bizarren Steinsäulen haben Mönche im 14. Jahrhundert mit der Errichtung von Klosteranlagen begonnen. Lange Zeit gelangten Menschen und Nutzlasten nur über Körbe und Seilwinden in die heiligen Felsnester. Heute gibt es Treppen, Aufzüge, Zufahrtsstraßen, schon wegen der Touristen.
Dass die schöne, in schwarzer Nonnentracht versteckte Urania (Tamila Koulieva) sich hier abseilen muss, scheint etwas übertrieben. Aber die Sache wird dramatisch. Weder sie noch der ebenso attraktive Theodoros (Theo Alexander) können sich auf die Andacht und die anderen klösterlichen Pflichten konzentrieren. Alles wird zur Qual. Wenn sie sich sehen. Und mehr noch, wenn sie sich nicht sehen.
Das Zirpen der Grillen, das Schlagen des Stundenholzes, die Sinfonie der Glocken über dem Tal, das im Nebel liegt: Höllisch ist mit einem Mal dieser Klang. Der Film steckt voller Metaphern und Anspielungen, dabei gibt er sich streng und spartanisch in seiner Bildsprache; wie das Leben in den Klöstern zwischen Himmel und Erde. In der Fantasie, in Träumen befreit sich die Lust dieser zwei jungen, jedenfalls noch nicht alten Menschen, die – so haben sie einst entschieden – im Betstuhl verdorren und sich im Küssen der Ikonen erschöpfen sollen. Aber das Leben lockt. Einmal ist Urania nackt zu sehen, wie sie sich auf ihrer Pritsche selbst befriedigt, einmal sieht man das Paar in einer Höhle beim leidenschaftlichen Verkehr.
Die radikaleren Bilder aber stammen aus dem Animationsstudio. Anfangs steht da ein Triptychon, links die Nonne, rechts der Mönch, in der Mitte Meteora, die Klosteranlagen. Ein wunderbarer Effekt, auf mehreren Ebenen. Man erkennt, dass die Ikonenmaler einst die schroffe Natur nicht erfunden, sondern dort vorgefunden haben, in Thessalien. Und plötzlich bewegt sich etwas auf dem bemalten Brett, auf der rissigen, mit Leinwand bespannten und bemalten Holzplatte. Theodoros und Urania als heilige Comic-Figuren: Wie naiv sie wirken und wie stark, mythische Gestalten, die im Märchen zueinander kommen und die Mächte der Hölle – oder des Himmels – überwinden. Die sich verlieren im Labyrinth der Teufel, gerettet werden vom Blut Christi, das sintflutartig über die Erde kommt.
Aufrührend, anrührend. Es ist Blasphemie, und es ist eine gottgewollte Liebe. „Meteora“ zeigt, warum es gut ist, dass sich beim Ikonenkrieg nicht die Bilderstürmer, sondern die Bildbefürworter durchgesetzt haben. So gibt es Bilder für die Not, das Verlangen. Für die Schönheit verliebter Menschen. Sie steigen herab aus einer faszinierenden, archaischen Welt. Sie liegt in Europa. Sie hört auf das orthodoxe Christentum. Es ist das Jahr 2012.
13.2., 9.30 Uhr (Friedrichstadtpalast); 12.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)
Hauptdarstellerin ist die griechische Landschaft mit ihren pilzartigen Hochplateaus
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