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Absurder Aktionismus: Eine Szene aus "Das gelbe Pony".
© Parallelallee

Comic "Das gelbe Pony": Hilflose Helden

Tina Brenneisens Comic-Erzählung "Das gelbe Pony" ist eine irritierende und am Ende doch überzeugende Studie über das Leben auf der Verliererseite.

"Das ist wie Fight Club - nur für Weicheier", meinte Tina Brenneisen über ihr Buch "Das gelbe Pony", als ich sie im vergangenen Jahr interviewte. Sie hatte gerade den Comicbuch-Preis der Berthold-Leibinger-Stiftung für "Das Licht, das Schatten leert" gewonnen - eine bislang unveröffentlichte Bilderzählung über die Totgeburt ihres Sohnes und die Zeit danach. Ein berührendes, ein schreckliches Thema, das beim Lesen erträglich bleibt, weil sie zeigt, dass in der größten Trauer Weiterleben, sogar Lachen möglich ist. Selbst in der PDF-Version des Buches am Computer wirkten die Dialoge lebensnah, die Bilddramaturgie schlüssig und bis in die Kolorierung der jeweiligen Stimmungen genau durchdacht.

Hilflosigkeit schlägt in absurden Aktionismus um

Aber Tina Brenneisen war schon mitten in der nächsten Geschichte, bei der Figur des Cousins Henry und den Geräten, die er in "Das gelbe Pony" mit seinem Nachbarn bastelt, um sich von Ex-Frauen und der Zivilisation unabhängig zu machen.

Und in der Tat ist was dran am Vergleich vom "Gelben Pony"' mit "Fight Club", nämlich die Hilflosigkeit der Protagonisten, die in absurden Aktionismus umschlägt. Beide sind vom Leben bislang eher herumgeschubst worden als dass sie im Wortsinn eines geführt hätten. Cousin Henry: ein dicklicher, unbeholfener Mann mit Kartoffelnase, ohne Familie, Freunde oder Interessen, sein namenlos bleibender Nachbar: latent aggressiv, ungepflegt, nach einer Scheidung verbittert. Beide kommen im Hausflur ins Gespräch, weil Henry erwähnt, dass er keinen Duschkopf mehr hat, selbst gebrauchte gebe es kaum noch. Als sein Nachbar ihm anbietet, ihm seinen mittwochs und sonntags zu leihen, nimmt Henry beglückt an.

Versuchsaufbau: Zwei Panels aus "Das Gelbe Pony".
Versuchsaufbau: Zwei Panels aus "Das Gelbe Pony".
© Parallelallee

Zwischen ihnen entwickelt sich ein Verhältnis zwischen Zweckgemeinschaft und Freundschaft; Henry modelt seine Badewanne zu einem gigantischen Duschkopf um, sein Nachbar will mit einem Fahrrad seinen eigenen Strom erzeugen. Durch das gemeinsame Tüfteln entsteht eine zerbrechliche Nähe. Aber es kommt, wie es kommen muss, zu verschieden sind die Männer in ihren Haltungen. Eine Frau, in die sich der Nachbar verliebt, ist der letzte Schritt ins Leben ohne den anderen. Und doch ist "Das gelbe Pony" damit noch nicht vorbei - den überraschenden Epilog sollte jeder selbst erlesen.

Was macht ein Nerd ohne Duschkopf?

Anders als "Das Licht, das Schatten leert" haftet dem "Gelben Pony" - übrigens eine alte Karussellfigur, die Henry vom Schrottplatz mit nach Hause bringt - über die gesamte Lesestrecke etwas Künstliches an. Schon die Handlung ähnelt einem Versuchsaufbau: stellen wir uns vor, es gibt keine Duschköpfe mehr zu kaufen - was macht ein Nerd ohne Duschkopf, der zufällig auf einen anderen Nerd trifft?

Dann wird die Geschichte ins Comicbuch-untypische (und unhandliche!) Querformat gepackt und pro Seite auf nur zwei Panels verteilt, die auch noch wirken, als wären sie ursprünglich auf Bierdeckel gezeichnet und dann auf die Seite geklebt worden; in einen echten Lesefluss zu kommen, macht Brenneisen damit unmöglich. Und schließlich taucht sie ihre mitunter krakeligen Schwarzweiß-Zeichnungen in fahle gelb-graue Schattierungen.

Das Cover des besprochenen Buches.
Das Cover des besprochenen Buches.
© Parallelallee.

All das irritiert und wird erst durch den Epilog verständlich. Was schade ist, denn es nimmt der Entwicklung der Figuren ein Stück ihrer Eindringlichkeit, die Brenneisens Stärke ist. Männerfiguren wie diese sind eine Seltenheit im Comic und das macht sie so wohltuend: wenn Henry seinen Kollegen vorschwärmt, er habe sich, weil er sich mit dem Waschlappen wäscht, "seit Ewigkeiten nicht mehr so berührt gefühlt", sagt das alles über die Dimension seiner Einsamkeit.

13 aufeinanderfolgende Panels, in denen er und sein Nachbar schweigend nebeneinander auf dem Balkon sitzen und nur am oberen Rand ein innerer Monolog die Sequenz begleitet, verstärken von Seite zu Seite das Gefühl ihrer Entfremdung. Beider Hilflosigkeit und Unfähigkeit, von alten Denkmustern zu lassen und sich zu öffnen, stellt Brenneisen klar aus, ohne sie zu verraten. Das ist hohe Kunst. Das macht das "Das gelbe Pony" am Ende lesenswert - und zu einer berührenden Studie über das Leben auf der Verliererseite.

Tina Brenneisen: Das gelbe Pony, Parallelallee Verlag, 232 Seiten, 24 Euro

Silke Merten

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