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© Illustration: Tezuka/Carlsen

Manga-Klassiker: Hetzjagd um die halbe Welt

Mit dem Thriller "Kirihito" erscheint ein Meisterwerk der Comic-Geschichte erstmals auf Deutsch – Beginn einer lange überfälligen Entdeckung des große Künstlers Osamu Tezuka.

Ein Arzt gegen die Welt: der junge Doktor Kirihito wird ausgesandt, um das Rätsel einer geheimnisvollen Krankheit zu lösen, die Menschen in hundeähnliche Geschöpfe verwandelt. Ein kleines Japanisches Dorf ist die Quelle allen Übels. Von dort aus allerdings beginnt er, inzwischen selbst infiziert, eine Odyssee um die halbe Welt. Überall hin, nur nicht zurück - denn in der Heimat hat ihn sein ehemaliger Chef zur Persona non Grata erklärt, weil ihm aus Karrieregründen Kirihitos Forschungsergebnisse nicht behagen.

Um zu verstehen, was das Besondere an „Kirihito“ ist, hilft es, die Hintergründe zu kennen: unter dem Schlagwort „Gekiga“ etablierte sich ab den Fünfzigerjahren vornehmlich in der japanischen Provinz ein Comicstil, der einen erwachseneren und realistischeren Ansatz für Mangas suchte. Beeinflusst von den Filmen der Schwarzen Serie, den Romanen von Dashiell Hammett, Mickey Spillane und ähnlichen Autoren, waren ihre Comics düster, ruppig und expressiv.

Der Medizin-Thriller „Kirihito“, ab 1970 publiziert, ist die Reaktion des damals überaus erfolgreichen Tezuka auf die jungen Wilden aus der Provinz.

Gleichzeitig markiert die umfangreiche Erzählung (800 Seiten) einen Bruch in Tezukas Werk, weg von den bis dahin dominierenden eskapistischen Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten (nennenswert hier vor allem „Astro Boy“), hin zu realistischeren Themen. Für den 42jährigen Tezuka ein Neuanfang.

Darum merkt man, dass Tezuka in dem Metier noch nicht ganz zuhause ist. Wie seine Gekiga-Kollegen zitiert er zwar wild und hemmungslos aus aktuellen Filmen und Klassikern (sofort erkennbar: „Tanz der Vampire“, „The Prisoner“, weniger offensichtlich: „Panzerkreuzer Potemkin“), baut ein paar verblüffend eindeutige und radikale Sexszenen ein und verschlüsselt das Geschehen teilweise in atemberaubend expressionistische Einzelbilder. (Unfassbar hirnzermatschend: Kirihitos Verwandlungsprozess zum Hund.) Trotzdem bleibt die Handlung immer ein wenig vorhersehbar, letztlich den Konventionen eines einfachen Abenteuerstoffes verhaftet, wie Tezuka sie vorher produziert hatte. Von der Komplexität der späteren Meisterwerke „Buddha“ und „Adolf“ ist diese Erzählung mit ihrem simplen Schwarz-weiß-Moralschema noch deutlich entfernt.

In Deutschland markiert dieser Comic den zweiten Anlauf (nach „Adolf“, ebenfalls bei Carlsen - mehr dazu unter diesem Link) zu einer ernstzunehmenden Tezuka-Rezeption. Unter diesem Aspekt ist es völlig egal, was von ihm erscheint, solange dieser große Comickünstler, auf einem Niveau mit Carl Barks und Franquin, hierzulande endlich halbwegs die Aufmerksamkeit bekommt, die ihm zusteht. Selbst ein mittelmäßiger Tezuka (so wie „Kirihito“) ist noch besser als die meisten anderen Comics.

Osamu Tezuka: Kirihito. Carlsen Comics, 288 Seiten, 16,90 Euro. Eine Leseprobe steht unter
diesem Link.

Unser Gastautor Stefan Pannor lebt und arbeitet in Leipzig als Journalist für diverse Medien. Er ist Mitglied in der Sondermann-Jury für den Newcomer des Jahres. Mehr Informationen auf seiner Website
www.pannor.de.

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