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Erdal Yıldız und Mike Alder als "Ziemlich beste Freunde".
© Michael Petersohn

Komödie am Ku'damm: Herz und Magie: "Ziemlich beste Freunde"

Als Film war „Ziemlich beste Freunde“ in Frankreich und Deutschland ein Blockbuster. Jetzt gibt es an der Komödie am Kurfürstendamm eine Bühnenversion mit Erdal Yıldız und Mike Adler. Ein Treffen in der Probenpause.

Es ist düster in der Komödie am Kurfürstendamm. Der Eingangsbereich im Stil der zwanziger Jahre wird nur von wenigen, gedämpften Wandlampen beleuchtet. Die Garderobe ist verwaist. Vor der verschlossenen Eingangstür stehen ein paar Handwerker, klopfen ans Glas und wundern sich, als sie nicht hereingelassen werden. „Sie proben noch“, ist die einzige Information, die nach draußen dringt.

Martin Woelffer, Direktor und Regisseur der Komödie, lässt seit sechs Wochen proben, teilweise mehrmals am Tag. Vielleicht aus purer Routine, vielleicht hat er auch Respekt vor dem Stück, das er auf die Bühne bringt: „Ziemlich beste Freunde“, die Erfolgskomödie aus Frankreich, die auch in Deutschland über neun Millionen Zuschauer begeisterte. Im Kino, wohlgemerkt. Mit Erdal Yıldız als reichem, querschnittsgelähmtem Philippe und Mike Adler als dessen unkonventionellem Pfleger Driss soll der Stoff jetzt auch im Theater für volle Ränge sorgen. Wobei die beiden Schauspieler viel anders machen wollen.

„Filme fürs Theater aufarbeiten?“, fragt Yıldız. Er sitzt neben Adler im Gang, trinkt Tee aus einer Thermosflasche. Es ist Pause. „Ich finde es gut. Das funktioniert aber nur, wenn sich die Inszenierung vom Film löst.“ Auch Adler hat mit dem Umweg von Buch über Film hin zum Theater kein Problem: „Damit erreicht man ein Publikum, das mehr am Puls der Zeit ist. Es bringt Popkultur auf die Bühne, der isolierte Theaterraum wird aufgebrochen“. Mit der Vermutung, dass „Ziemlich beste Freunde“ ein kühl kalkulierter Kassenschlager sein könnte, wollen die beiden sich nicht groß aufhalten.

Lieber reden sie darüber, warum das Theaterstück gerade nicht so sein werde wie der Film. Dass sie Philippe und Driss ganz anders spielen werden, als es 2011 François Cluzet und Omar Sy getan haben. Mit viel mehr Tiefe, mehr Verletzlichkeit, mehr Gewalt. „Wir wollen etwas eigenes innerhalb der Szenen entwickeln“, sagt Mike Adler und beschreibt das Zusammenspiel mit Erdal Yıldız als „organisches Duo“. Ein Duo, das sich erst seit den gemeinsamen Proben kennt. „Na ja, gekannt haben wir uns schon vorher“, sagt Yıldız. Aber mehr vom Sehen, auf diversen Fernsehveranstaltungen sei man sich über den Weg gelaufen. Die Rollen von Philippe und Driss wurden beiden vom Theater angeboten.

Von den Proben selbst wollen sie nicht viel erzählen, um der Premiere am Sonntag nicht zu viel vorwegzunehmen. Dann wäre die ein oder andere Überraschung weg, auf die Adler nebulös mit der Formulierung „Theatermittel“ verweist. Ein paar Probleme scheint es im Vorfeld dennoch gegeben zu haben. „Die Regie lässt uns viel Freiraum. Anfangs war ich richtig verzweifelt, ich konnte nicht mal mehr schlafen“, beschreibt Yıldız seine Schwierigkeiten, sich dem Charakter von Philippe anzunähern. „Ich bin nun mal ein Typ, der sehr körperlich spielt. Sehr körperlich ist“, sagt er und zupft wie zur Bestätigung an seiner grauen Sporthose, die er während der Proben trägt. Bekannt geworden ist Yıldız Ende der Neunziger durch packende Filmdramen wie „Aprilkinder“ und „Lola + Bilidikid“. Später übernahm der 1966 geborene Schauspieler viele Fernsehrollen, etwa die des machohaften Assistenten von Corinna Harfouch in der Krimiserie „Eva Blond“.

Seine Parts sind oft sehr physisch, diese Körperlichkeit nimmt ihm die Rolle des gelähmten Philippe nun – zumindest vordergründig. „Ich habe bald gemerkt: Man muss sehr körperlich sein, um unkörperlich spielen zu können.“ Und: „So etwas habe ich noch nie gemacht. Aber das gefällt mir: Wenn ich etwas spiele, was ich kenne, finde ich das langweilig.“ Adler tat sich vor allem mit der Sprache von Driss schwer, zumindest mit der, die er laut Textbuch sprechen sollte. Für die Bühne adaptiert wurden die Filmdialoge von Gunnar Dreßler, dem Leiter der Berliner Tribüne, deren Spielbetrieb seit zwei Jahren auf Eis liegt. Kennen gelernt haben sich Autor und Hauptdarsteller nie. Das mag auch der Grund dafür sein, dass Yıldız und Adler noch einmal selbst an den Texten nachjustiert haben.

"Wir werden ein anderer Philippe, ein anderer Driss sein"

Erdal Yıldız und Mike Alder als "Ziemlich beste Freunde".
Erdal Yıldız und Mike Alder als "Ziemlich beste Freunde".
© Michael Petersohn

„Da gab es halt Witze, die ich schon in der Synchronfassung des Films nicht gelungen fand“, sagt Adler, der 1978 in Berlin zur Welt kam und die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam abgeschlossen hat. Er spielte unter anderem am Gorki-Theater und am Ballhaus Naunynstraße. Zudem ist er seit 2001 Mitglied der Berliner Hip-Hop-Formation Kaosloge – kennt sich also aus mit urbanem Sound und Slang . „Manchmal sagte Driss etwas, das sehr nach Bildungsbürgertum klang. Ich fand: So spricht der nicht! Dann hieß es: Aber im Film! Da habe ich gesagt: Ich will das anders sagen. Scheiß auf den Film!“

Die „Scheiß drauf“-Mentalität ist das, was Adler an seiner Figur besonders schätzt. „Bei Driss spricht direkt das Gefühl. Das funktioniert so: Herz. Sprache.“ Ohne sich mit dem Umweg über die moralische Instanz des Gehirns aufzuhalten. Driss sei auf der Bühne auch gefährlicher als im Film. „Immerhin kommt er aus den Banlieues. Driss darf nicht der Harlekin für den König sein.“

Yıldız nahm sich den „echten Philippe“ zum Vorbild – also Philippe Pozzo di Borgo, auf dessen Autobiografie die Geschichte basiert. „Der ist ganz anders als der Philippe, der im Film gezeigt wurde. Seine Tiefe und seine Verletzlichkeit sind größer. Ich will nicht sagen, mein Kollege hätte ihn nicht gut gespielt. Aber ich will ihn anders spielen. Wir werden ein anderer Philippe, ein anderer Driss sein.“

„Anders“ ist definitiv ein Lieblingswort der beiden. Dass das Publikum damit eventuell Probleme haben könnte, bezweifeln sie: „Vielleicht sagen die Gäste ja: Okay, die machen das jetzt so. Aber die mag ich auch“, sagt Yaldaz. Hauptsache „das Herz und die Magie“, wie Yıldız es ausdrückt, kommen rüber. Beide hoffen, die Geschichte könnte auch sozial etwas bewirken: „Dass man überdenkt, wie man mit Behinderten umgeht. Oder dass auch Menschen mit Handicap sagen: Egal, ich habe trotzdem Spaß.“

Komödie am Kurfürstendamm, bis 15.11., Premiere 29.9., 18 Uhr (Voraufführungen: 27./28.9., 20 Uhr)

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