Brandenburgische Sommerkonzerte: Herz und Hirn
Der Tenor Daniel Behle singt in Templin Liebeslieder und Satirisches von Richard Strauss.
Beim Brandenburgischen Sommerkonzert in Templin – Angela Merkels Heimatstadt – wirkt die 1749 erbaute Maria-Magdalenen-Kirche für einen Richard- Strauss-Abend wie geschaffen: Tenor Daniel Behle und Pianist Oliver Schnyder sind selbst von der hintersten Reihe glasklar zu hören. Das mag auch an Behles herrlicher Aussprache liegen: Die Vier Lieder opus 27, die Richard Strauss für seine Ehefrau Pauline komponiert hat, erklingen in messerscharfer Präzision. Behle fühlt sich sensibel in die emotionale Dichte dieses spätromantischen Werkes ein. Er singt nicht nur mit Herz, sondern auch mit Verstand und vertieft sich inbrunstvoll in die Gefühlswallungen dieser jungen Strauss’schen Liebeserklärung, die so packend und berührend ist, dass es einem die Sprache verschlägt.
Vor Kitsch braucht sich jedoch niemand zu fürchten. Denn die hinreißenden, in die Höhe schießenden, plötzlich einbrechenden Forte-Passagen gleicht Daniel Behle mit seiner butterweichen und sanft das Ohr streichelnden Stimmführung aus. Man muss sich geradezu zusammenreißen, um zwischen den Sechs Liedern opus 19 nicht in peinliches Schluchzen zu verfallen. Aber etwas Pathos darf ruhig sein, wenn es so behutsam aufgefangen wird wie hier von Klavierbegleiter Oliver Schnyder. Der Pianist wartet auf seine Einsätze wie ein kreisender Vogel und besticht durch virtuose, fein abgestimmte Vorder- und Hintergrund-Nuancen. Das Zusammenspiel funktioniert einzigartig.
Auch im zweiten Teil des Konzerts, beim Krämerspiegel opus 66 nach Texten des Kritikers und Satirikers Alfred Kerr, präsentieren sich Schnyder und Behle als ideales Gespann, das obendrein auch noch viel Humor versteht: Immerhin hat Strauss die zwölf Gesänge in Auftrag gegeben, um die geldgeilen Verleger seiner Zeit zu verballhornen. Da tauchen dreiste Schotten auf (stellvertretend für den Verleger Schott) oder hampelnde Böcke und Boten (in Anspielung auf den Verlag Bote & Bock), um der Kulturindustrie den Spiegel vorzuhalten. Lustvoll-skurril fällt das Ergebnis aus, das Schnyder mit viel gestischem Witz zu präsentieren versteht. So romantisch und – im wahrsten Sinne des Wortes – herzergreifend der Sänger bei den Liebesliedern auch war, so adrett und dreist spitzt er jetzt die Pointen zu. Gar kein Zweifel: Diesen Liederabend wird in Templin so schnell keiner vergessen.
Tomasz Kurianowicz