Musicals von Gershwin und Blitzstein im Konzerthaus: Hello, Suckers!
Das Publikum muss besoffen sein. Und zwar für Tobias Ribitzki Inszenierung von „Triple-Sec“ von Marc Blitzstein und George Gershwins „Blue Monday“ im Konzerthaus - in gelöster Bar-Atmosphäre versteht sich.
Schummeriges Licht, das Modern Art Ensemble spielt dezent schlurfenden Swing, dazu die üblichen Stuhlreihen und einige Tischchen, an denen tatsächlich auch Besucher sitzen. In gelöste Bar-Atmosphäre hat Regisseur Tobias Ribitzki die beiden Einakter „Triple-Sec“ (15 Minuten) von Marc Blitzstein und „Blue Monday“ (25 Minuten) von George Gershwin im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses eingebettet. Und laut Regieanweisung von Blitzstein, der mit „Triple-Sec“ seiner bürgerlichen Herkunft und ihren Werten den Stinkefinger zeigen wollte, muss das Publikum besoffen sein.
Also rüber zur Bar. „Three Euros please“, der Mann am Zapfhahn antwortet auf Englisch, wir sind ja im New York der 20er Jahre. Stimmengemurmel, Gläserklirren, die Simulation eines Clubs ist ganz gut gelungen, obwohl dies natürlich trotzdem eine klassische frontale Theateraufführung bleibt. Dann tritt Katharina von Bülow als Conférencière vor den Vorhang, begrüßt alle mit einem kaugummigedehnten „Hello, Suckers!“, und die Farce kann beginnen.
Bissig, bösartig, zwölftönig angeschärft
Klar, dass das in auffälligem Retro gekleidete Paar am bühnennächsten Tischchen sich als Lord Silverside (Johannes Dunz) und seine Frau Betty (Nina-Maria Fischer) entpuppt. Einige Gläschen später – Triple Sec ist ein Likör aus Curaçao – ist das Chaos da, lauter Nebenbuhlerinnen und frühere Geliebte, alle verdoppelt, verdreifacht, auch das Orchester begleitet jetzt mehrstimmig. Bissig, bösartig, zwölftönig angeschärft, erbarmungslos auf den Punkt komponiert, mit an Strawinsky geschultem motorischen Drive: Das ist Blitzsteins Musik, und Dirigent Ewan Christ geht so fiebrig und schwitzend in ihr auf, dass man ihm einen neuen Frack holen möchte.
Nahtloser Übergang zu Gershwin
Gleiches Personal, nahtloser Übergang zu Gershwin, auch hier viel Eifersucht und ein ins Satirische gewendeter „Tristan“-Liebestod. Aber Gershwin lässt den Phrasen mehr Zeit auszuschwingen, die Musik wird melodischer, symphonischer. „Blue Monday“ – da ist schon „Porgy and Bess“ am Horizont zu ahnen. Gerne mehr davon, aber da ist der Abend schon vorbei, es bleibt bei der Kostprobe. Die großartige Musik dämpft ein wenig die bittere Erkenntnis, dass es nicht mehr viel von diesen beiden Komponisten gibt, das zu entdecken wäre. Weil sie viel zu früh gestorben sind.
Noch einmal am 17. März, 20 Uhr.
Udo Badelt
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