Streit um Literaturnobelpreis: Handke wird in Serbien gefeiert, aber kaum gelesen
Serbiens Politiker überhäufen Nobelpreisträger Peter Handke mit Komplimenten. Dabei gab es seine Bücher hier bis vor Kurzem gar nicht mehr zu kaufen.
Mit Journalisten, die ihm lästige Fragen zu seinen umstrittenen Auslassungen zu den Jugoslawienkriegen stellen, spricht Peter Handke bekanntlich nicht mehr. Doch bei Besuchern aus seinem erklärten Lieblingsland lässt der Literaturnobelpreisträger das Schmollen sein. Eingerahmt von Serbiens Kulturminister Vladan Vukosavljević und dem bosnisch-serbischen Erfolgsregisseur Emir Kusturica ließ sich der 77-jährige letzte Woche in einem Pariser Restaurant ablichten – und mit Komplimenten überhäufen.
Über den „verdienten Preis“ für den Schriftsteller, der Serbien „während der schweren Jahre unterstützt“ habe, freue sich das ganze Land, so der Minister. Sein „großer Freund“ Handke habe ihn gebeten, auch Bosniens Serbenführer Milorad Dodik zu grüßen, dessen Wirken er „sehr zu schätzen“ wisse, berichtete hernach zufrieden dessen Emissär Kusturica.
Bestürzt und verärgert haben hingegen Schriftsteller, Medien und Politiker in Bosnien, Kosovo und Kroatien auf den Nobelpreis für den Grabredner von Ex-Autokrat Slobodan Milošević reagiert. In Serbien selbst fallen die Reaktionen zwar nicht nur, aber überwiegend positiv aus: Seit er während der Jugoslawienkriege „Gerechtigkeit für Serbien“ forderte, wird Handke in dem Balkanstaat gerne als Freund Serbiens gefeiert.
„Die Serben haben in Ihnen einen großen Menschen gesehen, schon bevor sie Ihre Bücher gelesen haben“, wurde Handke von Serbiens Verteidigungsminister Aleksander Vulin beglückwünscht. Doch vermutlich haben weder der Rumpelpatriot Vulin noch der gewiefte Strippenzieher Dodik jemals ein Handke-Buch in die Hand genommen. Der Schriftsteller wird in Belgrad zwar als serbophile Prominentenstimme geschätzt, doch kaum gelesen.
Mehrere seiner Bücher seien im früheren Jugoslawien in den siebziger Jahren zuerst in Kroatien und dann auch in Serbien übersetzt worden, berichtete auf einer Debatte während der Belgrader Buchmesse vergangene Woche dessen langjähriger Übersetzer Žarko Radaković, mittlerweile gebe es sie im serbischen Buchhandel aber nicht mehr. Auf der dortigen Buchmesse lagen mit „Der große Fall“ und „Nachmittag eines Schriftstellers“ (1987) gerade einmal zwei neu aufgelegte Handke-Bücher aus.
Handke sei auch an den Belgrader Theatern im regulären Programm „noch nie aufgeführt“ worden, klagte der Publizist Nebojša Grujičić: „Die Nichtveröffentlichung der Handke-Bücher in Serbien ist eine große Schande – nicht weil er zu einer bestimmten Zeit eine proserbische Haltung einnahm, sondern weil er ein großer Schriftsteller ist.“
Serbische Schriftsteller üben Kritik
Peter Handke selbst scheint Serbiens Lesern das Desinteresse an seinem Werk kaum zu verübeln. Die Serben würden ihn „mögen, aber nicht lesen“, erkannte er und kündigte im Staatssender RTS an, sobald der Schnee falle, nach Belgrad zu kommen. Bis dahin sollten die Serben „auf mich und mit mir“ ein Glas Wein trinken. Doch auch serbische Schriftsteller, die sein Werk kennen, kritisieren seinen Feldzug für Serbien.
Handke sei „einfach ein guter Schriftsteller“ und hätte allein für sein Drehbuch zum Wenders-Film „Der Himmel über Berlin“ den Nobelpreis verdient, so der Belgrader Essayist Dejan Ilic in der „FAZ“. Doch er habe „die Poetik verraten“ und sich als selbsterklärter „Rebell wider die Heuchelei der westlichen Welt“ von der „verschrobenen Logik“ leiten lassen, dass der „Feind seines Feindes sein Freund“ sei – und sich im Fall Milošević geirrt.