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Der ORF konnte die an einem geheimen Depot sichergestellte Salzburger Gurlitt-Sammlung filmen. Hier ein Blick auf die nun von Restauratoren betreuten Werke, darunter 39 Ölgemälde. Insgesamt sind es 238 Werke, vor allem Zeichnungen.
© ORF/

Raubkunst: Gurlitt war nicht der Einzige

Ein Quartett von bevorzugten Händlern verkaufte für die Nazis beschlagnahmte Kunst. Jeder ging dabei höchst unterschiedlich zu Werke.

In die Sache Gurlitt kommt Bewegung. Ein Gemälde von Henri Matisse soll nach dem Willen des 81-jährigen Cornelius Gurlitt an die Erben des jüdischen Eigentümers herausgegeben werden. Es handelt sich um das kapitalste Stück der 1280 von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Kunstwerke, die Gurlitt 1956 von seinem Vater geerbt hatte.

Hildebrand Gurlitt, der nun landauf, landab als der Nazi-Günstling schlechthin gebrandmarkt wird, war jedoch nicht der einzige Händler mit beschlagnahmter Kunst. Für den Verkauf von in den deutschen Museen beschlagnahmter, sogenannter „entarteter“ Kunst beauftragte NS-Propagandaminister Goebbels, der eigentliche Kulturlenker des „Dritten Reiches“, ein Quartett von bevorzugten Händlern. Neben Gurlitt waren dies Bernhard Böhmer, Karl Buchholz und Ferdinand Möller. Daneben gab es zahlreiche Händler und Auktionatoren, die sich am Verkauf von aus jüdischem Eigentum geraubter Kunst bereichern durften. Die Grenzen zwischen beiden Kategorien sind bisweilen fließend, das erschwert auch die Recherchen im Fall Gurlitt.

Das trifft insbesondere auf Bernhard A. Böhmer zu, den engen Vertrauten und Assistenten des expressionistischen Bildhauers und Dichters Ernst Barlach im mecklenburgischen Güstrow. Böhmer war zunächst allein mit dem Verkauf von Werken Barlachs tätig, der, obgleich offiziell verfemt, weiterhin seine Sammler hatte. Böhmer begann dann, auch andere Kunstwerke zu handeln, vor allem mit Agenten des „Führerauftrags Linz“ für das von Hitler gewünschte Museum. So gelangte Böhmer auch an umfangreiche Bestände „entarteter“ Kunst, die er in Güstrow versteckte. Beim Einmarsch der Roten Armee nahm sich Böhmer 1945 das Leben. Aus seinem Nachlass gingen 503 Arbeiten zurück an jene Museen in der SBZ/DDR, aus denen sie von den Nazis beschlagnahmt worden waren. 613 weitere Werke – darunter lediglich 27 Gemälde – kamen ins Kulturhistorische Museum Rostock, deren Provenienz aus der NS-Aktion von 1937 mittlerweile geklärt werden konnte. Da Böhmer „über den notwendigen Briefwechsel hinaus seine Transaktionen nicht schriftlich festhielt“, wie Meike Hoffmann von der Berliner „Forschungsstelle ,Entartete Kunst’“ schreibt, ist seine Handelstätigkeit zur NS-Zeit nicht abschließend zu klären.

Karl Buchholz hingegen führte genau Buch. Über seinen jüdischen und darum zur Emigration gezwungenen Kompagnon Carl Valentin, dem er eine Dependance in New York einrichtete, konnte Buchholz zahllose Arbeiten an amerikanische Museen veräußern und besaß, weil er dem Regime dringend benötigte Devisen verschaffte, viel Handlungsspielraum. 644 Arbeiten „entarteter“ Kunst gelangten durch Buchholz an Valentin in New York; Buchholz selbst, von Hause aus Buchhändler, baute sich bereits während des Krieges eine neue Existenz in Südeuropa und später in Kolumbien auf. Die von Buchholz in Deutschland versteckten oder in andere Länder verschickten Werke sind unauffindbar: „Trotz persönlicher Suche von Karl Buchholz lange nach dem Krieg fand sich von ihnen keine Spur“, bilanziert Anja Tiedemann, die Buchholz und Valentin eine umfangreiche Forschungsarbeit gewidmet hat.

Bleibt Ferdinand Möller, der Einzige des Händlerkleeblatts, der nach 1945 erneut galeristisch tätig war – mit größerem Erfolg und Einfluss denn je zuvor. Eberhard Roters, der Gründer der Berlinischen Galerie, schrieb 1984 über Möller: „Im Widerspruch zu den Bedingungen, die ihm die Regierung auferlegt hat, verkauft er nämlich die von ihm erworbenen Werke (...) nicht ins Ausland, sondern den kleineren Teil verkauft er, obwohl ihm das verboten ist, in Deutschland, den größeren Teil behält er selbst.“ Zahlreiche expressionistische Werke veräußert er an Sammler wie Josef Haubrich und nach dem Krieg an deutsche Museen. Er gilt heute unbestritten als ein Retter der „entarteten“ Kunst. Mit geraubten Schätzen hatte er, anders als Hildebrand Gurlitt, niemals zu tun.

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