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Münchner Kunstfund: Gurlitt-Sammlung: Jetzt muss es schnell gehen

Dix, Daumier, Delacroix: 25 Bilder der Gurlitt-Sammlung stehen online. Aber die Qualität der Website lässt zu wünschen übrig. Der Ärger von Nachfahren, die Einsicht gewinnen wollen, dürfte sich so nur steigern.

Kunst und Krimi, das geht gut zusammen: Nach dem Fälscherskandal um Wolfgang Beltracchi ist es nun die in München aufgetauchte Sammlung des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Jetzt sollen die Protagonisten dingfest gemacht, die beschlagnahmten Bilder erforscht werden. Am Wochenende entdeckten Reporter von „Paris Match“ in einem Münchner Einkaufszentrum den Händlersohn Cornelius Gurlitt: ein gepflegter älterer Herr mit gescheiteltem silbrigen Haar. Größere Neugier aber ziehen die Bilder auf sich, 25 von 1406 sind seit Montagabend auf www.lostart.de im Internet zu sehen, die Liste soll stetig aktualisiert werden. Wem gehören sie und welche Stücke können an einstmalige Besitzer restituiert werden?

Die Website mit den Gurlitt-Bildern stürzt immer wieder ab

Eine Woche nach Bekanntwerden des geheim gehaltenen Funds vom Frühjahr 2012 will die Bundesregierung eine sechsköpfige Taskforce unter Leitung der früheren Ministerialdirektorin Ingeborg Berggreen-Merkel einrichten, um die Zuordnung der Stücke zu beschleunigen. In den letzten anderthalb Jahren war allein die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann hinzugezogen worden. Das ist selbst Bayerns Justizminister Winfried Bausback zu wenig. Er kritisiert das Tempo der Berliner Forschungsstelle „Entartete Kunst“ und verspricht, Personal zur Verfügung zu stellen. Und die Jewish Claims Conference fordert einen Platz in der Expertenrunde.

Noch sind das alles Bemühenszusagen. Unter den 25 Bildern auf lostart.de befinden sich jene elf, die letzte Woche in Augsburg vorgestellt wurden, also nur 14 neue. Und von einigen wie etwa Max Liebermanns „Reiter am Strand“ steht die Provenienz längst fest. Offensichtlich versucht sich die Bundesregierung mit der schnellen Aktion der Kritik nicht zuletzt aus dem Ausland zu erwehren, Zeit zu gewinnen. Befriedigen kann das nicht, zumal die Website immer wieder abstürzt. Der Ärger jener Nachfahren, die Einsicht gewinnen wollen, dürfte sich so nur steigern.

Kind am Tisch. Otto Griebels Aquarell hat seine Strahlkraft bewahrt.
Kind am Tisch. Otto Griebels Aquarell hat seine Strahlkraft bewahrt.
© picture alliance / dpa

Bei den Werken handelt es sich größtenteils um Papierarbeiten, die meisten aus den Zwanzigerjahren, aber auch ältere Arbeiten etwa von Eugène Delacroix oder Honoré Daumier. Wie bei der Augsburger Präsentation lässt die Reproduktionsqualität auch auf der Internetplattform zu wünschen übrig. Zarte Zeichnungen wie Spitzwegs „Klavierspiel“ oder Rodins weiblicher Akt sind kaum zu erkennen. Es wird wohl noch Zeit kosten, bis jene 590 Werke technisch befriedigend präsentiert werden können, die laut Staatsanwaltschaft den rechtmäßigen Eigentümern durch die Nazis entwendet wurden.

Insgesamt sollen 970 Bilder aus dem Gurlitt-Fundus überprüft werden

An den beiden farbenprächtigen Aquarellen von Conrad Felixmüller („Paar in Landschaft“) und Otto Griebel („Kind am Tisch“) erweist sich dafür der gute Erhaltungszustand. Die kostbaren Blätter wurden offensichtlich umsichtig gelagert. Das Griebel-Bild gehört wohl zu jenen 13 Werken, die aus der Sammlung des Rechtsanwalts Glaser aus Dresden stammen – die Erben erheben bereits Ansprüche darauf. Insgesamt sollen 970 Gurlitt-Bilder überprüft werden, 380 stammen aus Museen, denen sie als „entartet“ enteignet wurden.

Zu jedem der Bilder finden sich genaue Angaben über Signatur, Größe, Technik und Material. Auch mutmaßliche Provenienzen werden benannt: etwa die Sammlung Littmann bei Dix’ „Dompteuse“ oder wieder die Sammlung Glaser bei Wilhelm Lachnits „Mädchen am Tisch“. Aber dient die Plattform nicht dem Aufspüren von möglichen Eigentümern? Wieso werden dann so viele bereits identifizierte Stücke gezeigt? Weitere Auskunft zu den Bildern erteilt die Staatsanwaltschaft Augsburg. Wer sich dort meldet, wird jedoch ruppig auf deren Website verwiesen. Auch daran muss noch gearbeitet werden. Arme Erben.

Nicola Kuhn

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