Könnte man nur die ganze Welt beackern. Bis heute arbeitet Günther Uecker wie ein Berserker. 1930 auf der Halbinsel Wustrow geboren, gehört er zu der Generation, die knapp dem Krieg entkommen ist. Mit 15 musste er die Leichen begraben, die das Meer an den Strand schwemmte. Der Anblick der aufgelösten Körper, „dieses entspannte Sich-zu-Tode-Lachen“, hat sich ihm ins Gedächtnis gebrannt.
Uecker studierte Kunst in Wustrow und Berlin-Weißensee, malte Stalinporträts, „20 Meter hoch, mit Pupillen groß wie Wassereimer“. 1953 ging er erst nach West-Berlin, dann an die Düsseldorfer Akademie. 1961 trat er der Gruppe Zero bei, in der Künstler um Heinz Mack und Otto Piene einen Neuanfang suchten, die Bewegung ins Licht. Da hatte Günther Uecker den Nagel schon gefunden. In seinen frühesten Bildern benutzte er Bürsten aus Nägeln wie einen Pflug, um Furchen in die Farbschicht zu treiben. Bald machte er das Instrument selbst zum Mittelpunkt seiner Bilder.
Wie Tierfelle wirken die schimmernden Nageloberflächen mitunter. In der Ausstellung „Zwanzig Kapitel“ im Martin-Gropius Bau 2005 war der Nagel in allen Variationen zu bewundern. Subtiler wirken die Aquarelle, wie sie derzeit im Mies-van-der-Rohe-Haus in Weißensee zu sehen sind. Doch am liebsten beackert Günther Uecker die Welt. Er hat Kreise in den Sand der libyschen Wüste gestampft, Brandpfeile aufs Mittelmeer geschossen und zuletzt eine Kunsthalle in der Mongolei eröffnet. In Usbekistan mussten seine Arbeiten im vergangenen Winter den Protzstücken des Militärmuseums weichen. Der Künstler spricht davon mit Empörung, aber nicht ohne Stolz. Mit 80 versöhnt Günther Uecker gerne. Noch lieber eckt er an. Simone Reber
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