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Kein Standort in Berlin: Guggenheim Lab: Ein Think Tank kommt unter die Räder

Künstler, Sponsoren, Kiez-Krieger: In New York kamen 540.000 Menschen ins Guggenheim Lab, die Occupy-Bewegung wurde eingemeindet. Für die geplante Berliner Station ist nun schon der dritte Standort gescheitert.

Ganz so überraschend kann der Protest für die Strategen des „BMW Guggenheim Lab“ nicht gekommen sein. Die Auseinandersetzung mit den Bewohnern, die aktive Teilnahme am Wandel ihrer Stadt ist schließlich das Thema des mobilen Think Tank. Nach seiner ersten Station in New York sollte es auf der Durchreise nach Mumbai ab Ende Mai in der deutschen Hauptstadt Station machen. Mittlerweile kann der Kasten aus Karbon, den das japanische Architektur-Büro Bow-Wow im Hightech-Stil entworfen hat, in Berlin seine eigene Reisegeschichte vorweisen, wenn auch nur auf dem Papier. Die Wanderung führte von der Kastanienallee als erster angekündigter Adresse schließlich zum Pfefferberg und zuletzt nach Kreuzberg, wo durch Sicherheitsbedenken der Polizei nun zum dritten Mal das Aus kam.

Schon in der Kastanienallee mit ihren neuralgischen Neubauprojekten artikulierte sich Kritik: dass die von Museum und Automobilkonzern geholten Denker – Künstler, Wissenschaftler, Technologen – der Gentrifizierung nur Vorschub leisten würden, statt sie kritisch zu begleiten. Das Lab-Thema heißt in New York, Berlin wie Mumbai „Confronting Comfort“ und soll klären, wie jeweils eine Balance zwischen individuellem und kollektivem Komfort hergestellt werden kann.

In Berlin ging das schon vorher gründlich schief. Die Konfrontation haben die Kreuzberger Autonomen wörtlich genommen und drohten im Netz mit Gewalt. Waren die urbanen Laboranten nun naiv? Warum scheitert ihre Strategie des Wohlmeinenden so kläglich? Was sagt das Beispiel BMW Guggenheim Lab über die neuen Methoden des Sponsoring aus, was über die veränderten Wege der Kooperationen zwischen Wirtschaftsunternehmen und Kultureinrichtungen?

Naivität ist den Verantwortlichen kaum vorzuwerfen; ihr Projekt hatte genügend Vorlaufzeit. Allein der Plan, nach Mumbai zu gehen, wo Hunderttausende in Slums leben und der Gegensatz zwischen Arm und Reich unüberbrückbar scheint, demonstriert Überzeugung. Und der Erfolg in New York gab ihnen recht: 540 000 Menschen besuchten dort das Lab während der dreimonatigen Laufzeit, knapp 60 Vorträge, 50 Workshops und 30 Filmaufführungen fanden statt. Die Occupy-Bewegung wurde eingemeindet. Für Berlin wünschte man sich das Gleiche, auch wenn man wusste, dass der Kiez in Kreuzberg dem Unternehmen kritisch gegenübersteht. Gerade diese Street Credibility fehlte dem Projekt bisher. Aus New Yorker und Münchner Perspektive wurde unterschätzt, dass Berlins Straßen ein starkes Aggressionspotenzial besitzen, wenn es um die richtige Form des Zusammenlebens geht.

Türöffner. Ein vom Künstler A. R. Penck gestaltetes „BMW Art Car“.
Türöffner. Ein vom Künstler A. R. Penck gestaltetes „BMW Art Car“.
© dapd

Für das vorläufige Scheitern des Projektes dürften am Ende drei Buchstaben stehen: B-M-W. Der Markenname gleich zu Beginn des Lab-Titels wirkt wie Product Placement. Sollen Wagen verkauft werden, handelt es sich um einen überdimensionalen Autosalon? Wohl kaum. Und doch hat es seinen eigenen Klang, wenn im Namen einer Edelkarosse über neue Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens diskutiert werden soll – und das auf einem Grundstück, auf dem künftig Luxuswohnungen entstehen. Wer Gutes tut, will genannt sein, wer Millionen gibt, seinen Namen lesen. Bei Fußballmannschaften, Musikhallen wird das toleriert, das Publikum will seine Spieler, seine Bands in Aktion sehen. Beim Denklabor, das Ergebnisoffenheit propagiert, ist das anders.

Ausgerechnet in der Kunststadt Berlin fehlt ein Standort

BMW und Guggenheim haben sich mit ihrem Lab auf ein Experiment eingelassen. Beide sind im Sponsoring-Geschäft alte Hasen. BMW gehört in Berlin als Förderer von Berlinale, dem Preis der Nationalgalerie für junge Kunst, Biennale und Staatsoper zu den wichtigen Geldgebern, ohne die in der Kultur kaum noch etwas geht. Film, Kunst, Musik – das sind Felder, die einem kultivierten Autofahrer naheliegen. Zugleich steht das Auto als Umweltverschmutzer, als Problemfaktor im innerstädtischen Verkehr in der Kritik. Warum nicht diese Axiome verbinden: Kultur, Zukunft, Mobilität?

Womit das Guggenheim auf den Plan tritt. Unter seinem Direktor Thomas Krens stieg das Museum mit Stammsitz in New York zum Global Player auf, mit Dependancen auf der ganzen Welt. Das berühmteste Beispiel ist heute Bilbao. Als weitere Wunschkandidaten gelten Helsinki und Mexiko City. Der Berliner Showroom Unter der Linden in den Räumen der Deutschen Bank schließt allerdings zum Jahresende. Der Kooperationsvertrag endet. Trotzdem bleibt das Guggenheim ein Suchender, der sich neue Märkte erschließen will – darin ist es nicht anders als ein Wirtschaftsunternehmen. Die Idee des „BMW Guggenheim Lab“ ähnelt den Künstlern, die nicht mehr nur in ihren Ateliers malern und und bildhauern, sondern sich gesellschaftlichen Themen widmen, mit Film, Dokumentation, soziologischem Rüstzeug. Sie stellen diese Fragen in einem streitbaren Gehäuse, dem ausgerechnet in der Kunststadt Berlin ein Standort verloren zu gehen scheint.

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