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Christoph Eschenbach
© dpa

Christoph Eschenbach dirigiert in Berlin: Groß gedacht, gut gemacht

Pianist Lang Lang ist der Star beim Berlin-Gastspiel des National Symphony Orchestra Washington. Eindruck aber macht Dirigent Christoph Eschenbach.

Als alles vorbei ist, bedankt sich Lang Lang in der ihm eigenen Manier – und macht eine Show. Reißt die Hands aufs Herz, tänzelt, umarmt Dirigent Christoph Eschenbach, beklatscht das National Symphony Orchestra aus Washington, mit dem er eben konzertiert hat. Zupft einzelne Blumen aus den ihm überreichten Sträußen, schenkt sie weiter, grinst ins Weite der Philharmonie. Ein Star badet im Jubel seiner Fans. Dagegen ist nichts zu sagen, es ist ja auch sympathisch. Schön wäre es, wenn es auch irgendwas mit der Interpretation zu tun hätte, die er kurz zuvor abgeliefert hat.

Was aber soll man anfangen mit diesem bewusst holzschnitt- und holzfällerhaftem Spiel in Edvard Griegs Klavierkonzert, dem einzigen Stück des Norwegers, das neben der „Peer Gynt“-Suite regelmäßig aufgeführt wird? Mit Lang Langs rustikalem Anschlag, der aus jedem Ton das Maximale herausholen will? Da sich auch das Orchester nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, schaukeln sich beide auf ungute Weise gegenseitig hoch, ein verbissener Kampf zweier Riesen. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist das Stück: Dies ist nicht der Grieg, der die Feen singen hört. Sondern einer, der nachts mit der Axt in die Wälder geht, um Bäume zu schlagen. Oder Schlimmeres. Verstörend.

Ein Zugriff, den Richard Wagner zu Beginn des Konzerts besser vertragen hat. Dessen "Tannhäuser"-Ouvertüre glitzert und glänzt, bleibt dabei aber immer luftig. Atmende Musik. Nur die unruhig wuselnden hohen Streicher, die die Wiederkehr des Pilgerchor-Motivs grundieren, sind ein bisschen schwach profiliert. Aber nach der Pause - Lang Lang ist inzwischen abgetreten - zaubert Christoph Eschenbach wieder das Beste aus seinem Ensemble hervor. Das kluge Programm platziert Grieg in der Mitte zwischen zwei Polen, die seine musikalische Entwicklung geprägt haben: Die Wagner/Liszt-Schule einerseits, die Ästhetik von Schumann und Brahms andererseits. Von der pochenden Pauke dramatisch untermalt, setzen die Streicher mit Brahms’ 1. Symphonie ein. Sie wirkt vom ersten Takt an groß gedacht. Verblüffend, wie ein gestisch so filigraner, die Musik bis in die Fingerspitzen und das letzte Zucken des Mundwinkels empfindender Dirigent wie Christoph Eschenbach ein so monumentales, aber nie plump überwältigendes Klangbild entstehen lassen kann. Lang angelegte Bögen, berührend intime Hörner und Posaunen im Choral. Musik, die strömt und an keiner Stelle klumpt. Grandios.

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