Schaubühne-Darsteller Sebastian Schwarz: Grenzbefreit mit Haltung
Sebastian Schwarz kann auch Rampensau. Und den Typus Trump. Ein Treffen mit dem Schaubühnen-Darsteller zur Premiere von „Peng!“.
Fiese Männer bestimmen dieser Tage die Schlagzeilen. Rüpel, die auf die Umwelt pfeifen, nach Belieben Leute einsperren, sich Frauen gegenüber arschig benehmen und Bomben über die Meere jagen. Die Welt, so der Eindruck, verkommt gerade zu einem ziemlich ekligen Abenteuerspielplatz, auf dem Prä-Potentaten den Ton angeben. Die An-den-Haaren-Zieher und Sand-in-die-Augen-Schmeißer, deren Muttis am Rand sitzen und sich freuen, wie durchsetzungsfähig ihre verzogenen Gören sind. Es fällt ja schwer, sich vorzustellen, dass all die Donald Trumps, Recep Erdozans oder Kim-Jong Uns mal Kinder waren. Aber vermutlich liegt genau hier der Schlüssel zum Verständnis ihrer Verkommenheit: Sie sind als kleine Prinzen aufgewachsen, deren Bäuerchen beklatscht wurden und denen es eindeutig an Backpfeifen gemangelt hat.
Sebastian Schwarz spielt jetzt so ein schreckliches Kind. Einen Jungen, der Peng heißt, Ralf Peng. Schon im Mutterleib erdrosselt er, Shakespeare-Style, seine Zwillingsschwester mit der Nabelschnur. Und nur wenige Jahre später sitzt er beim gesunden Biofrühstück mit den Eltern im Wiesenidyll und brüllt: „Ich will mehr Fett, ihr Kackeulen!“ Was die Erzeuger selbstredend ganz bezaubernd finden. Kein Wunder, dass der kleine Peng schon im Vorschulalter von der Weltherrschaft träumt und ein besonderes Talent für populistische Reden entwickelt. Schwarz, in weißer Strumpfhose und mit Schlabberpulli, wendet sich mit geweiteten Menschenfänger-Augen ans Publikum und ruft beispielsweise: „Die Frage muss doch erlaubt sein: Wo wären wir heute ohne Gewalt gegen Frauen?“
Schrecklich witzig, beklemmend komisch
Wenn der Eindruck aus einer Probe kurz vor der Premiere an der Schaubühne nicht täuscht, wird Schwarz mit der Titelrolle im Stück „Peng!“ des Autors und Regisseurs Marius von Mayenburg ziemlich abräumen. Weil er schrecklich witzig ist, beklemmend komisch. Eine seltene Gabe. Von Mayenburg, erzählt Schwarz im Theater-Café, habe seine Farce als Reaktion auf den Wahlsieg von Trump geschrieben, ursprünglich hatte er eine ganz andere Geschichte im Kopf. Die Witzfigur aus Musikvideos der 90er oder Filmen wie „Kevin – Allein in New York“ als Präsident – das kann Schwarz bis heute nicht fassen. „Man steht ja vor Trump wie vor einem Verkehrsunfall“, sagt er. „Man will nicht hinschauen, kann aber nicht anders.“
Um Missverständnissen vorzubeugen: Schwarz porträtiert auf der Bühne einen Typus, er parodiert nicht den Führer der freien Welt mit orangem Make-up und blonder Perücke. „Wir sind ja nicht beim Kabarett“, sagt er. Obschon er gar nichts gegen gutes Kabarett hat. Und auch nichts gegen treffsichere Parodien. Schwarz ist im Schaubühnen-Ensemble bekannt und beliebt als König der Thomas-Ostermeier-Parodisten – und wie gerne würde man die Premiere der Satire „Thomas Ostermeier kauft sich ein Loft und hat schlechte Laune“ erleben, die Schwarz (in Anlehnung an Thomas Bernhard) schon immer mal auf die Bühne bringen wollte. Aber, wichtiger Punkt: um jemanden wirklich gut imitieren zu können, findet der Schauspieler, brauche es einen Trigger, eine Seite an der Person, in der man sich auf gewisse Weise wiedererkenne. Dafür ist Trump kein geeigneter Kandidat.
Naserümpfen über Komiker
Sebastian Schwarz, 1984 im thüringischen Greiz geboren, hat in seinen bald zehn Jahren an der Schaubühne etlichen ernste Rollen gespielt, Shakespeare, Gorki, Schnitzler. Das beherrscht er als Ernst-Busch-Schüler natürlich makellos. Aber er hat eben auch früh erkennen lassen, dass er ein sehr eigenes Humorverständnis besitzt. Und die dazugehörige Wirkung. Angefangen mit David Gieselmanns Komödie „Die Tauben“ von 2009, in der Schwarz einen schwer libidogesteuerten Psychiater mit kompromittierenden Gedächtnisaussetzern gab. Fortgesetzt vor allem mit Marius von Mayenburg, der den Ensemblemitgliedern ihre Parts kenntnisreich maßschneidert. Bei ihm hat Schwarz zuletzt in der Satire „Stück Plastik“ einen verquälten Konzeptkünstler gespielt, der sich kurzerhand die Putzfrau zur Muse erklärt. Auch schon großartig.
Pech für Schwarz, dass man in Deutschland noch immer naserümpfend die Seriositätsgrenze zwischen Komikern und Schauspielern zieht. Eben nicht wie in den USA, wo ein John Goodman (den Schwarz sehr bewundert) die Sitcom „Roseanne“ dreht, in Filmen der Coen-Brüder mitwirkt und natürlich auch Theater spielt. Schon beim Vorsprechen an der Hochschule Ernst Busch wurde ihm das klargemacht. Schwarz präsentierte sich mit einer Rolle aus der Tragikomödie „Top Dogs“ von Urs Widmer – und sah, wie sich die Professorin für Sprecherziehung vor ihm einen Negativvermerk hinkritzelte: „Komiker!!!“ Mit drei Ausrufezeichen als Todesurteil. Sei’s drum. Genommen haben sie ihn am Ende ja trotzdem. Und das, obwohl er eigentlich nur aus Thüringen nach Berlin gefahren war, um sich mal eine professionelle Meinung einzuholen, ob die Schauspielerei vielleicht der richtige Job für ihn sein könnte.
Virtuosentum ohne Verbissenheit
Das ist das größte Plus von Schwarz, auch auf der Bühne: Er nimmt sich selbst nie ernster als nötig. Obwohl Vollprofi, strahlt nie diesen verbissenen Willen zum Virtuosentum aus. Dazu passt auch, dass man mit dem ehemaligen Juso-Mitglied sehr undogmatisch über Politik reden kann. „Wenn man etwas Gutes an dem gegenwärtigen Rechtsdrall finden will“, kommt Schwarz auf seine momentane Arbeit zurück, „dann doch die Tatsache, dass die Gesellschaft sich grade wieder politisiert.“ Eben nicht nur das linke Bürgertum, sondern auch die Mitte. Wie in Leipzig, wo seine Schwester wohnt und sich eine breite Front gegen Legida formierte. Schwarz findet es wichtig, Haltung zu zeigen. Auch am Theater: „Solange man Propaganda nicht mit Propaganda und Populismus nicht mit Populismus beantwortet“.
Im Falle von „Peng!“ kann davon keine Rede sein. Das Stück überdreht nur die vorgefundenen Verhältnisse ins Absurde. In einer tollen Szene im Durchlauf vor der Premiere schnappt sich Schwarz das Mikrofon und singt eine Terrorversion von „Hänschen klein“, Marke Rechtsrock. Man sieht in diesem Moment tatsächlich ganz pur das grenzbefreite Kind.
Schwarz selbst erzählt über seine Jugend, dass er schon in der Schule vor allem eins sein wollte: lustig. Er sei eben, das kommt sehr gut gelaunt, nicht der Hübscheste in der Klasse gewesen, auch nicht der Sportlichste. Also war die Komik eine naheliegende Wahl. Und sicherlich die beste fürs gesunde Aufwachsen.
„Peng!“ von Marius von Mayenburg. Schaubühne, 3.6., 20 Uhr (Premiere), wieder am 6., 7., 10. bis 12. Juni
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