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Verdorbene Welt: Eine Szene aus dem besprochenen Album.
© Splitter

Religion im Comic: Göttlicher Racheengel

„Daddy“: Comic-Altmeister Matthias Schultheiss meldet sich mit einem blutrünstigen Wutausbruch zurück.

Jesus ist zurück – aber von Güte und Nachsicht will er diesmal nichts wissen. Der deutsche Comic-Altmeister Matthias Schultheiss, der in den 80er Jahren zu den Pionieren der anspruchsvollen grafischen Erzählung für Erwachsene zählte, lässt in seinem neuen Album „Daddy“ Gottes Sohn als blinden, fetten Junkie durch eine verdorbene Gegenwart wanken und mit seinem Vater hadern.

Begleitet von einem teuflischen Kompagnon, will Jesus die Welt diesmal nicht durch den Tod am Kreuz retten, sondern indem er Gott und seinen irdischen Sachwaltern ins blutige Handwerk pfuscht. Die beiden Weggefährten irrlichtern durch ein heruntergekommenes Amerika, retten en passant ein paar Menschen, aber richten auch das eine oder andere strafende Blutbad an.

In rauschhaften Bildern, die wie Aquarelle mit ergänzenden Bleistiftzeichnungen aussehen, aber größtenteils am Computer geschaffen wurden, bringt Schultheiss den Alptraum zu Papier. Die Panels sind hier ebenso grenzenlos wie die Gewalt- und Rachefantasien des Autors.

Anklagende Monologe, durchsetzt mit spirituellen Fragen und Gedanken über das richtige Leben im falschen erinnern teilweise an Schultheiss’ Vorgänger, „Die Reise mit Bill“, wenngleich das Buch, das vor zwei Jahren Schultheiss’ Comeback markierte, deutlich versöhnlicher und nachdenklicher daherkam.

Jesus als Berserker: Das Buchcover.
Jesus als Berserker: Das Buchcover.
© Splitter

Für „Daddy“ hat Schultheiss die große Keule rausgeholt. Er lässt Jesus als Berserker in der Kirche wüten, von Priestern erneut ans Kreuz schlagen und in einem letzten Kraftakt als todbringender Racheengel all jene heimsuchen, die sich auf ihn und seinen Vater aus seiner Sicht zu Unrecht beriefen. Das ist teils wohlkalkulierte Provokation, teils ehrlich wirkender Wutausbruch eines Autors, der sich mit dem Leid auf dieser Welt offenbar noch nicht abgefunden hat.

Matthias Schultheiss: Daddy, Splitter, 72 Seiten, 15,80 Euro, Leseprobe hier

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