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Jared Ice, Cora Suvi, Sebastian Kunz und Rebekka Bigelmayr (v. l.n.r.) im Schlosstheater Rheinsberg.
© Kammeroper/ Uwe Hauth

"A Bad Man's Life" in Rheinsberg: Goethe und die E-Gitarre

Frank Matthus verabschiedet sich mit „A Bad Man’s Life“ von der Kammeroper Schloss Rheinsberg. Die Entscheidung für den Nachfolger Georg Quander ist umstritten.

Die Welt ist bekanntlich schlecht, sehr schlecht sogar. Ein gar nicht so lieber Gott schickt deshalb den alten Faust noch mal auf die Reise. Schon im Vorspiel auf dem Theater macht Librettist Frank Matthus deutlich, dass sein großes Vorbild Goethe heißt, und tatsächlich zitiert und variiert er in „A Bad Man’s Life“ Goethes theatertheoretische Verse sehr gekonnt. Eigene Verletzungen aus den vier Jahren als Künstlerischer Leiter der Kammeroper Schloss Rheinsberg spielen sicher hinein, wenn er sich über den Kunstpopulismus der brandenburgischen Landespolitik amüsiert. Zudem gelingt ihm eine elegante Überleitung zur Musik des Komponisten Marc-Aurel Floros, der sich ebenfalls an größten Vorbildern orientiert.

Oft genug hat Floros betont, wie sehr er der musikalischen Avantgarde misstraut, die sich hinter abgenutzten Floskeln verstecke. Folgerichtig kommt bei ihm Bach ebenso vor wie Schostakowitsch, amerikanische Minimalisten und selbstredend Richard Wagner. Wenn das Schicksal zuschlägt, dräut das Schlagwerk, bei den eingestreuten Songs darf der Hörer an die Konzeptalben von Genesis denken. Das ist durchaus gekonnt und überhaupt nicht langweilig, wirkt auf die Dauer aber so unentschlossen wie die Musterbücher gründerzeitlicher Stukkateure, aus denen sich der Bauherr den Stil aussuchen konnte. Das hat mitunter kalauerhaften Witz, wenn zu einer sanft verjazzten dreistimmigen Beischlafs-Invention in barocker Manier „Stoß mich härter, mein Gott!“ gesungen wird, doch schreckt Floros vor der dringend nötigen Zuspitzung seiner Ideen zurück. Demütig beschränkt er sich darauf, am Text entlang zu komponieren, ohne eigene Akzente. Wenn Librettist Matthus Inspiration beim Kitschklassiker „Über sieben Brücken sollst du geh’n“ findet, sucht Floros am selben Ort. Ist groteske Überspitzung gefragt, wird er bei Schostakowitsch fündig, stets wählen beide den kürzesten Weg zum Effekt.

Dabei ist der „Bad Man“ des Titels gar nicht besonders böse, sondern eher phlegmatisch. Staunend stolpert Bariton Jared Ice mit muskulösem Oberkörper durch die Handlung. Er trifft einen Industriellen, ein sterbendes Kind, eine lesende Nutte, kann ihnen aber nicht helfen. Als Crooner mit E-Gitarre überzeugt er stärker, als wenn der Opernbariton ranmuss, auch wenn Dirigent Andrei Diakov ihm mit seinem Kammerorchester zur Seite steht.

Ein verstörendes Argument: Georg Quander habe keinen Bezug zur Region

Überhaupt wird durchwachsen gesungen auf diesem Festival, das einst zur Förderung junger Sänger gedacht war. Überzeugend gestaltet Mezzosopranistin Taxiarchoula Kanati mit gerundeter und durchschlagskräftiger Stimme ihre Rolle, der lyrische Tenor Stelios Chatziktoris erfreut als sterbendes Kind mit vokalem und darstellerischem Charme, das übrige Ensemble bleibt eher vage in Erinnerung. Sie dürfen unter Regisseur Matthus auf leerer Bühne allerdings auch nicht mehr machen, als Hände zu ringen, zu barmen und das Operngestenrepertoire abzuspulen.

Vor vier Jahren übernahm Frank Matthus von seinem Vater, Komponist und Festivalgründer Siegfried Matthus, die künstlerische Leitung der Kammeroper Schloss Rheinsberg. Damals war er angetreten, das etwas müde gewordene Sommerfestival zu erneuern. Uraufführungen wie „A Bad Man’s Life“ sollten helfen, fanden aber kaum die erwünschte überregionale Resonanz. Auch dem Publikum ist der Enthusiasmus früherer Jahre abhandengekommen, weil immer wieder dasselbe, vorhersehbare Repertoire von bekannten Leitungsteams produziert wurde. Als Nachfolger von Frank Matthus soll nun Georg Quander für Erneuerung sorgen, den Brandenburgs Kunstministerin Martina Münch überraschend als neuen Direktor vorstellte. Der ehemalige Intendant der Berliner Staatsoper qualifiziere sich durch seine internationale Vernetzung, was allerdings verdächtig nach Versorgung alter Weggefährten klingt, mit deren vermeintlich großen Namen Publikum in die Ostprignitz gelockt werden soll. Dann würde wieder einmal die Chance verpasst, mit wirklich jungen Künstlern neue Perspektiven zu entwickeln und endlich jenes Potenzial auszuschöpfen, das der Ort zweifellos bietet.

Am Rande der Uraufführung war aus dem Förderkreis deutliche Kritik an der Entscheidung zu hören („schreiben Sie das ruhig ...“), wenn auch mit dem verstörenden Argument, Georg Quander habe keinen Bezug zur Region und wisse nichts vom Ruppiner Land. Manchem kann die Kultur gar nicht provinziell genug sein. In diesem Sommer stehen noch „Freischütz“ und „Così fan tutte“ auf dem Spielplan, für 2019 sind bislang nur die Statthalter „Oper I“ und „Oper II“ angekündigt. Die örtliche Tourismusbranche ist schon ungeduldig, Quander muss sich beeilen.

noch einmal an diesem Sonntag, 1. Juli, 18 Uhr im Rheinsberger Schlosstheater

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