Forum: Glück ist Stress
So cool, so ernst: „Hedi Schneider steckt fest“. Ein leichter Film, der selbst in schrecklichen Situationen seinen Witz nicht verliert.
Wenn im Action- oder Horrorfilm der Fahrstuhl stehen bleibt, ist selten Zeit, den Notrufknopf zu drücken, weil das unvermeidliche Gemetzel sofort losgeht. Was aber im ganz normalen Alltag passieren könnte in solch einer Situation, das erzählt Sonja Heiss in ihrem witzigen, coolen, ernsten Beziehungsfilm „Hedi Schneider steckt fest“. Da meldet sich eine verzerrte Stimme aus der Notrufzentrale und bittet Hedi, die ohnehin schon zu spät dran ist, dass sie sich ein wenig gedulden möge, vielleicht 15 Minuten. Hedi beginnt sofort ein Gespräch, munter fragt sie den Notruf-Mann nach Familie und Arbeit.
Laura Tonke spielt Hedi Schneider, eine Mutter und Ehefrau in den Dreißigern, die zwischen Büro und Kita, Haushalt und Verwandtschaft hin und her hetzt und dabei einen subtil-naiven Charme bewahrt. Zusammen mit Mann Uli (Hans Löw) und Sohn Finn (Leander Nitsche) bildet sie eine glückliche Kleinfamilie – bis sie von einer Panikattacke befallen wird, die in eine massive Angststörung mündet. Über Monate verharrt Hedi in einer Art Starre.
Die nie endende To-Do-Liste
Gefragt, ob die Überlastung der Frauen ihrer Generation der Auslöser für Hedis Krankheit sei, antwortet Regisseurin Sonja Heiss, die derselben Generation angehört wie ihre Heldin: „Ich kenne niemanden, der auch nur an einem einzigen Tag all das schaffen würde, was er sich vorgenommen hat. Auch ich selbst habe eine To-do-Liste, die immer nur wächst. Wir sind überlastet und wir stellen hohe Ansprüche an uns selbst: Wir müssen perfekte Mütter und beruflich erfolgreich sein, wir müssen ein gutes Sexleben haben. Vor allem aber müssen wir wahnsinnig glücklich sein. Das alles spielt natürlich eine Rolle bei Hedis Krankheit.“
Die Aufzugsszene bringt Hedis Situation auf den Punkt: Sie ist allein in einem engen Raum, aus dem sie sich nicht selbst befreien kann; ihre einzige Verbindung zur Welt draußen ist eine durch ein schlechtes Mikrofon verzerrte Stimme. Der Film erzählt, wie Hedis und Ulis glückliche Beziehung durch die Krankheit verändert wird und wie alle drei Familienmitglieder leiden. Dass sich die Geschichte im strahlenden Sommersonnenlicht und mitten in fröhlich-bunten Interieurs abspielt, scheint das Erzählte zu konterkarieren. Oder?
Ein leichter Film mit Witz
„Aber nein“, sagt Sonja Heiss, die ihr eigenes Drehbuch inszeniert hat, „gerade das ist ja das Scheußliche bei Angststörungen: dass es draußen noch so bunt ist, aber in einem selber eben nicht mehr.“ Und so trägt Hedi farbenfrohe, ein wenig sonderbare Obst- und Gemüse-Kleider, die zugleich kindlich und sexy wirken: „Ich wollte, dass auch das Kostüm die extrovertierte, fröhliche, mutige Hedi unterstreicht“, sagt Heiss, „eben die Person, die sie bis zu ihrer Krankheit ist“.
Tatsächlich ist „Hedi Schneider ...“ kein Drama über eine psychische Krankheit und die Zerstörung einer großen Liebe, sondern ein leichter Film, der selbst in schrecklichen Situationen seinen Witz nicht verliert. Was nicht nur am Drehbuch liegt, sondern auch am zurückgenommenen Spiel der drei Hauptdarsteller. Das ist der Regisseurin wichtig, die ihr Debüt „Hotel Very Welcome“ auf der Berlinale 2007 präsentierte. „Mein Humor funktioniert dann nicht mehr. Es muss extrem trocken gespielt werden, die Schauspieler dürfen sich dabei auch selbst nicht komisch finden.“
Viele Jahre hat Sonja Heiss nur geschrieben, das Drehbuch und parallel einen 2011 erschienenen Band mit Kurzgeschichten. „Da ist man einsam und wünscht sich Menschen, mit denen man zusammenarbeitet“, sagt sie, „aber als dann die Dreharbeiten tatsächlich begannen, da dachte ich, na ja, 40 hätten es jetzt auch nicht gleich sein müssen.“ Offenbar hatte sie die aber gut im Griff: „Hedi Schneider steckt fest“ ist ein toller Film geworden.
8.2., 19 Uhr (Delphi), 9.2., 13.45 Uhr (Cinestar 8), 10.2., 18.30 Uhr (Union), 13.2., 20 Uhr (Cubix 9), 15.2., 20 Uhr (Colosseum)