Krimi-Comic: Gewalt und Romantik
Die französische Erfolgsautorin Fred Vargas und der Comiczeichner Edmond Baudoin haben mit „Die Tote im Pelzmantel“ eine düstere Krimi-Kurzgeschichte geschrieben – mit Betonung auf kurz.
Paris, ganz grau und schwarz. Es ist die Zeit, in der die Clochards sich auf den Lüftungsgittern der Metro aufwärmen. Pi, ein alter Kerl mit einem Gesicht so grob wie das von Charles Bukowski, dämmert dem Schlaf entgegen. Ein Taxi hält neben ihm, eine Frau mit schönen Beinen steigt aus und bemerkt ihn nicht in seinem Lager aus alten Decken und einem Mantel – ein Lumpenbündel auf dem Gehweg. Es naht ein Auto, ein Mann steigt aus und schießt die Schönheit im Pelzmantel nieder. Dann das stoppelbärtige Clochardgesicht über dem Antlitz der niedergestreckten Schönheit: „Oh! Kleine, Du siehst aus wie eine junge Robbe auf dem Packeis.“
So läuft der Comic „Die Tote im Pelzmantel“ an, den Fred Vargas und Edmond Baudoin zusammen verfasst haben. Es ist ein schnelles, düsteres Vergnügen geworden. Es riecht nach Paris und der Metro und könnte Lust auf eine lange Geschichte von diesem Autoren-Duo machen. Aber dieser Comic ist so kurz, dass er endet, wenn man sich gerade warm gelesen und in Edmond Baudoins Bildersprache hinein geguckt hat.
Zwei Männer im Dialog: Darum geht es. Der Clochard hat angeblich nichts gesehen, der Kommissar glaubt ihm nicht und beginnt, den Alten mit seiner Faszination von Zahlen und seiner Bockigkeit ernst zu nehmen. Kommissar Adamsberg sieht aus wie ein französischer Lou Reed, und der lässt sich von der typisch französischen Verschränkung zwischen Politik und Polizei nicht einschüchtern. Ein „Unterstaatssekretär“ aus dem Innenministerium gibt Adamsberg zu verstehen, dass der Fall pressiert und dennoch nicht bekannt werden darf – wegen der ansonsten eher unerotischen Personenkonstellation in der Geschichte dürfte das Geheimnis des Verbrechensopfers im Pelzmantel mit dessen schönen Beinen zu tun haben. Adamsberg lässt sich nicht bedrücken, entwickelt seine Beziehung zu dem alten Mann, der gegen die Einsamkeit angeht, indem er alles berechnet, was sich im Alltag berechnen lässt – und erläuft sich grübelnd einen Weg in das Herz des Clochards.
Adamsbergs Wege durch Paris gehören zu den bestens Passagen dieses textreichen Comics. Mit dickem Strich, viel Schwarz und viel Gefühl für das Eigene und Althergebrachte am Pariser Häusermeer zieht Edmond Baudoin die Betrachter seiner Zeichnungen hinein in die Stadt. Der Fall mag schnell gelöst worden sein – was bleibt, ist eine seltsame Stimmung, gemischt aus Romantik und Gewalt.
Fred Vargas & Edmond Baudoin, "Die Tote im Pelzmantel", aus dem Französischen von Julia Schoch, Aufbau Verlag, Berlin 2011, 95 Seiten, 14,95 Euro
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