Stradivari für Zimmermann: Gestatten, meine Neue
Frank Peter Zimmermann führt seine Stradivari „Général Dupont, Grumiaux“ von 1727 bei den Berliner Philharmonikern vor.
Dieser Abend mit den Berliner Philharmonikern unter Daniel Harding funktioniert, und zwar so tadellos, dass er am Ende fast ein bisschen unaufregend wirkt. Doch von Anfang an: Zunächst zur Konzertouvertüre „Othello“ von Dvořák, einer Musik, deren Affektbrüche und rhetorische Gesten Harding mit einer Meisterschaft kontrolliert, die ihresgleichen sucht. Und dann schon zum zweiten Punkt des Abends, der deutschen Erstaufführung von Magnus Lindbergs Violinkonzert No. 2, an dessen Werden neben den Berlinern auch die Londoner und New Yorker Philharmoniker beteiligt waren.
Auf bemerkenswerte Weise zeugt auch dieses neu entstandene, halbstündige Opus von großem Können, diesmal in der Sparte „Zugriff auf die Ressourcen eines Sinfonieorchesters“. Denn Lindbergs Musik vollzieht sich in immer neu anhebenden Triumphgebärden, sie setzt ein orchestrales Dampfen und Dröhnen in Gang, über dem das Plingen der Celesta funkeln wird wie ein Glühwürmchen in einer Gewitternacht.
In dasselbe Großaufgebot hinein ist indessen auch Frank Peter Zimmermanns Solopart mit seinen aberwitzigen Läufen und kniffligen Fiorituren und Doppelgriffen gestellt. Und während man dem wie stets beeindruckenden Geiger zuhört und der Stimme seiner Stradivari „Général Dupont, Grumiaux“ von 1727 lauscht, nimmt man wahr, dass sich dieses Instrument aus dem Innern des riesenhaften Geschehens, dieses aufgeblähten Klangballons mit einer Intelligenz und Beharrungskraft meldet, die an „Des Kaisers neue Kleider“ denken lässt: fein, zart, ja zäh gerade in seiner Natürlichkeit.
Das also ist des Geigers neue Violine. Seine vorherige Stradivari „Lady Inchiquin“ hatte Zimmermann 2015 zurückgeben müssen, die „Grumiaux“ war ihm im Herbst in China von dem Geschäftsmann und Kunst- und Instrumentensammler Yu quasi im Nebenbei vor der Künstlergarderobe angeboten worden; „sie hat mich gefunden“, hat Zimmermann eben der FAZ erzählt, sie sei „apollonischer, eleganter und heller“ als die „Lady Inchiquin“.
Eine Solo-Partita wäre besser geeignet um das Instrument in Ruhe zu hören
So wünscht man sich auch in der Philharmonie zu diesem Zeitpunkt statt der vielen Töne eher eine Solo-Partita, um das Instrument ganz in Ruhe hören zu können. Immerhin tritt nach der Pause Soloflötist Emmanuel Pahud in Boulez’ überklarer Konzertminiatur „Mémoriale“ auf, mit Monodien und Flatterzungen-Passagen vor der zerbrechlichen Textur der acht umgebenden Instrumente, ein Ruhepol, vielleicht die aufrichtigste Musik an diesem Abend.
Am Ende dagegen wird Schumanns Zweite gespielt, deren barockisierende Ausflüge ebenso wie die innigen Lied- Stellen von des Komponisten langer Beschäftigung mit Bach (und dem Kontrapunkt) und Beethoven (und der Liebe) zeugen. Und auch hier zeigt Daniel Harding, wie virtuos er Übergänge und Accelerandi in Gang setzen kann. Doch auch hier stellt sich der Eindruck ein, dass eine dergestalt tadellose Wiedergabe zwar äußerst imponierend ist, aber nicht vom Sitz reißen muss.