Autorentage im Deutschen Theater: Gegenwart total
Die Berliner Autorentage im Juni sind so etwas wie die Frischzellenkur der deutschsprachigen Theaterszene. Gesellschaftspolitische Relevanz zeigt sich nicht nur bei den Gastspielen, sondern auch bei den Siegern des Autorenwettbewerbs.
Noch gar nicht lange her, da war deutsche Dramatik hierzulande ungefähr so gefragt wie usbekische. Klar, ein paar Zugpferde unter den Zeitgenossen gönnte sich jedes Haus, hier ein Schimmelpfennig, dort eine Jelinek, da ein Rinke. Doch ansonsten blieb man lieber beim Kanon oder brachte Romane auf die Bühne.
Dass die Theater-Landschaft heute grundlegend anders ausschaut, dass unterdessen schon fruchtbar diskutiert wurde, ob’s nicht gar zuviel wird mit der Förderung all dieser schreibenden Jungtalente, ist nicht zuletzt den Autorentheatertagen zu verdanken.
Intendant Ulrich Khuon hat diese Plattform für zeitgenössische Dramatik erfunden, als er noch das Thalia Theater in Hamburg leitete. Längst hat sich das Festival aber auch in Berlin am Deutschen Theater als Institution etabliert. Dieses Jahr ist es wieder vom 11. bis 25. Juni so weit.
Ernst gemacht mit einem Qualitätsversprechen
Mit Gastspielen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum bietet das Deutsche Theater einen profunden Überblick über den state of the art der Dramenproduktion. Dabei ruft es selbst einen Schreibwettbewerb mit verlässlich hoher Teilnehmerquote aus, bei dem in der Regel drei bis vier Gewinnerstücke prämiert und in einer „Langen Nacht der Autoren“ präsentiert werden.
So auch in diesem Jahr. „Über meine Leiche“ von Stefan Hornbach, „Das Gelübde“ von Dominik Busch und „Gespräch wegen der Kürbisse“ von Jakob Note hießen die Stücke, die von einer Jury unter 175 Einsendungen ausgewählt wurden. Und weil das DT seit einer Reform der Autorentheatertage im vergangenen Jahr ernst macht mit dem Qualitätsversprechen seiner Auswahl, sind mit dem Gewinn auch gleich Uraufführungen verbunden – in Berlin, am Burgtheater Wien sowie am Schauspiel Zürich. Startplätze in der Champions League für den Nachwuchs.
Vielversprechend sind die Texte allemal. Der in Speyer geborene Stefan Hornbach erzählt in „Über meine Leiche“ eine unsentimentale und poetische Liebesgeschichte mit zu frühem Tod.
Der Schweizer Dominik Busch folgt in „Das Gelübde“ einem jungen Arzt, der nach überlebtem Flugzeugabsturz den Schwur einlöst, für immer auf einer Krankenstation in Afrika zu arbeiten.
Und Jakob Nolte (schon im vergangenen Jahr mit dem Stück „Der neue Himmel“ augewählt) beschreibt in „Gespräch wegen der Kürbisse“ den absurden Schlagabtausch zweier Freundinnen beim Kaffee, in deren Konversation vom Mossad ermordete Väter und Weltraumleichen wild durcheinander purzeln. In der „Langen Nacht der Autoren“ am 25. Juni sind die drei Stücke hintereinander weg zu erleben.
Elf Stücke im Gastspielprogramm
Nicht minder spannend ist das Gastspielprogramm. Rund 90 Ur- bzw. Erstaufführungen neuer deutschsprachiger Stücke und Projekte der vergangenen zwölf Monaten an deutschsprachigen Theatern kamen als Kandidaten für das in Betracht, elf konnten eingeladen werden. Außerdem im Programm sind fünf neue Stücke aus dem DT Repertoire, darunter „Berlin Alexanderplatz“.
Sie alle haben – notwendige Begleiterscheinung guter Gegenwartsdramatik! – eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz:
Die Zürcher Autorin Darja Stocker untersucht in ihrer Klassiker-Überschreibung „Nirgends in Friede. Antigone“ den Nachhall der Umbrüche des arabischen Frühlings. Wobei das antike Theben des Sophokles bei ihr zur heutigen Festung Europa wird. Entstanden ist die Inszenierung von Felicitas Brucker am Theater Basel (11. + 12. Juni).
Nuran David Calis stellt in seinem Stück „Glaubenskämpfer“, das in seiner eigenen Regie am Schauspiel Köln zur Uraufführung kam, die Gretchenfrage: Wie halten wir’s in unserer ach so aufgeklärten Gegenwart mit der Religion? Im Zuge der Recherche hat Calis Imame und Rabbiner, Nonnen und Pfarrer, Hassprediger und Salafisten, Dogmatiker und Konvertiten getroffen (zu sehen am 21. Juni).
Recherchiert hat auch Theatermacher Jan-Christoph Gockel. Sein Stück „Ramstein Air-Base: Game of Drones“ (17.+18. Juni) beleuchtet digitale Kriegsführung und globale Überwachung. Und beweist damit, was für die gesamten Autorentheatertage gilt: mehr Gegenwartsnähe geht nicht.
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