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David Afkham
© Chris Christodoulou

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin: Gegen den Strich

Dirigent David Afhkam animiert das Deutsche Symphonie-Orchester bei Webern und Schostakowitsch zu kühler Klarheit, Leonidas Kavakos lässt bei Brahms’ Violinkonzert die Geige nicht singen, sondern sprechen

Wie ein poetisches Vorwort setzen Weberns Sechs Stücke für Orchester op. 6 in der verdichteten Version von 1928 in der Philharmonie den Ton des Abends. Die extreme Trockenheit des Orchesterklangs lässt die über die Instrumente verteilten Linien in einer kühlen, fast unwirklichen Klarheit hervortreten. Hochkonzentriert spreizt der junge Dirigent David Afkham den kleinen Finger der linken Hand ab, als könne sich so die geballte Spannung wie durch einen Blitzableiter entladen. Seine reduzierten Gesten übertragen sich auf die Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters. Jede Bewegung wird in den Klang kanalisiert, dessen enorme Dichte Afkham aber nicht in Expressivität entfliehen lässt. Paradoxerweise wirkt sich dieses Aufstauen wie ein Brennglas auf den Ausdruck aus: So steigt durch die vermeintliche Ruhe im vierten Stück die innere Rastlosigkeit umso deutlicher an die Oberfläche, die Trommelschläge im Pianissimo fahren durch Mark und Bein. Am Ende bleibt kühle Klarheit im Raum stehen.

Dass sich diese klangliche Linie fortsetzt, liegt bei Schostakowitschs Symphonie Nr. 15 fast auf der Hand. Zu Beginn: ein angriffiges Klirren in den Geigen. Erstaunlicherweise versieht Afkham die Brüche im rätselhaft uneinheitlichen Stil dieses Spätwerks mit auffallend weichen Übergängen. Fast unscheinbar sind so die Fremdzitate und verzerrten Eigenzitate ins Gewebe gebettet; das nimmt den rohen, martialischen Rhythmen und grellen Aufschreien aber auch die Spitze.

Der Übergang von Webern zu Brahms’ Violinkonzert geschieht eigenartig nahtlos. Mit einer für das Werk ungewohnten Direktheit und flachen Dynamik bereitet Afkham dem Solisten den Weg. Leonidas Kavakos arbeitet gegen den Strich. Sein Spiel lebt von der Reibung, vom Gegenteil, ist sparsam in Vibrato und Bogenstrich und kommt gänzlich ohne Schwulst aus. Momentweise meint man, ein gänzlich neues Stück zu entdecken. Kavakos’ musikantischer Ansatz befreit es von historischem Rezeptionsballast. Hier singt die Geige nicht, vielmehr spricht sie. Die im allerbesten Sinne glanzlose Einfachheit, mit der er das Thema des zweiten Satzes von der Oboe abnimmt, ist ebenso atemberaubend wie die teufelsgeigerische Mühelosigkeit, mit der er die virtuosen Passagen im ersten Satz wie en passant dahinrauschen lässt. Seinen donnernden Applaus nimmt er entgegen, als hätte er nichts damit zu tun – so wenig wie mit den zerrissenen Haaren, die er im Abgang vom Bogen zupft.

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