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Gunter Demnig
© ddp

Holocaust-Gedenken: Gegen das Vergessen

Es ist ein Erinnerungsprojekt der besonderen Art. Mehr als 15.000 "Stolpersteine" hat der Kölner Künstler Gunter Demnig inzwischen in 345 deutschen Orten verlegt - und Anfragen aus ganz Europa erhalten.

Zwischen die gewöhnlichen Pflastersteine fügt Gunter Demnig immer dort seine goldglänzenden Messing-Platten ein, wo die Nationalsozialisten damals jüdische Mitbürger aus ihren Wohnungen und Häusern zerrten, auf Lastwagen luden und in die Vernichtungslager brachten. Passanten stolpern also im wahrsten Sinne des Wortes über die Schicksale der Holocaust-Opfer. "Hier wohnte..." steht auf jedem "Stolperstein", darunter Name und Jahrgang - dann das Deportationsdatum sowie Ort und Zeitpunkt der Ermordung durch die Nazi-Schergen. Auf dem Internationalen Filmfestival Locarno stand am Wochenende der Dokumentarfilm "Stolperstein" über Demnigs Initiative auf dem Programm.

"Der Name soll dorthin zurückkommen, wo die Menschen ihr Zuhause hatten", erklärt Demnig sein unermüdliches Tun. Auch aus dem europäischen Ausland gebe es immer mehr Nachfragen für Stein-Verlegungen, sagte Demnigs Projektkoordinatorin Uta Franke. "Die ersten Steine liegen in zwölf Orten Österreichs" - darunter auch in Braunau am Inn, der Geburtsstadt von Hitler. In Ungarn und den Niederlanden erinnern die kleinen Steine ebenfalls an großes Leid. Im Oktober wird es Stein-Verlegungen in Tschechien (Kolin) und in Polen (Wroclaw) geben, wie Franke erklärte. Im nächsten Jahr reist Demnig mit seinen einzeln in Handarbeit gefertigten Steinen nach Belgien, weitere Anfragen gibt es aus Frankreich und Italien.

2380 Stolpersteine allein in Hamburg

Oft sind die Nachkommen der Ermordeten bei der Verlegung der ausschließlich privat finanzierten Steine dabei. 95 Euro kosten Herstellung und Verlegung. Nicht in allen deutschen Städten gelten die "Stolpersteine" aber als angemessene Form, der Holocaust-Opfer zu gedenken. "In Hamburg sind bisher rund 2380 Steine verlegt worden, und in Berlin wird im November der 2000. Stein eingeweiht", sagte Franke. In München dagegen gebe es mangels Behördengenehmigung keine "Stolpersteine". Kürzlich wurde dort aber auf einem Privatgrundstück einer der Gedenksteine verlegt.

Für und Wider gehe da mitten durch den Zentralrat der Juden in Deutschland, sagt der Generalsekretär des Verbandes, Stephan Kramer, bei einer Stein-Verlegung in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern), wo finster blickende Rechtsextreme das Geschehen beobachten. Kramer betont in der Filmsequenz, es sei wichtig, dass die Menschen durch die Gedenksteine auf ihrem Weg anhalten und nachdenken. Auf der Würde der Opfer dürfe nicht - im Wortsinn - herumgetrampelt werden, sagen dagegen Demnigs Kritiker, darunter Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch und Münchens SPD-Oberbürgermeister Christian Ude. Beide seien nicht zu Stellungnahmen vor der Kamera bereit gewesen, heißt es im Abspann von Dörte Frankes Film.

"Im Osten kriegen wir grundsätzlich Polizei mitgeschickt", sagt Demnig gelassen über seine Touren durch die neuen Bundesländer. 41 Steine seien bislang beschädigt worden. In Halle (Sachsen-Anhalt) verschwanden nach Angaben des Künstlers einmal acht Steine. Ein Benefizkonzert habe dann das Geld für gleich 26 neue Messing-Platten eingebracht. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist."

Der Film "Stolperstein" soll am 13. November in die Kinos kommen.

Elke Vogel[dpa]

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