Kulturforum: Gefangen in der Zeitschleife
Das Berliner Kulturforum ist mittendrin und doch vergessen. Die Akademie der Künste lädt zur Debatte über die Zukunft des Unortes – wieder einmal.
Von den vielen Rätseln, die das Kulturforum aufgibt, ist dies das größte: Jeder findet diesen Ort unerträglich. Bisher hat noch kein Kulturpolitiker, Museumsdirektor, Architekt oder Stadtplaner gesagt: Genauso haben wir das gewollt, alles soll bleiben. Jeder will Veränderung. Aber es geschieht – nichts. Und das seit Jahrzehnten. Wie ist das möglich? Wie kann eine Stadt offenen Auges ein schwarzes Loch dieser Größe in ihrer Mitte hinnehmen? Eine matschige Brache, um die sich Philharmonie, Neue Nationalgalerie und Staatsbibliothek gruppieren, eine geisttötende, zugige Leere, die zum Schnellergehen zwingt. Die Aufregung darüber ist mittlerweile ritualisiert. Die Symposien zum Kulturforum sind Legion. Wäre dies eine Folge aus „Star Trek“, wäre die Mannschaft der Enterprise in einer Zeitschleife gefangen, die sie zwingt, die gleiche Situation immer wieder zu durchleben. Beim Kulturforum gilt: Man muss schon froh sein, wenn das Thema überhaupt im öffentlichen Diskurs auftaucht. Reales Baugeschehen wäre Wunschdenken.
Die Akademie der Künste hat jetzt einen neuen Vorstoß gemacht mit einer Gesprächsreihe am Pariser Platz. Zur Eröffnung waren die Museumsdirektoren geladen, die Anrainer also, außerdem Leonie Baumann vom Rat der Künste und Christophe Knoch, Sprecher der freien Kunstszene. Ausdrücklich sollte noch nicht über konkrete Gestaltung gesprochen werden, sondern über mögliche Nutzung, Inhalte. Was wollen wir am Kulturforum tatsächlich machen? Und siehe da: Es herrschte wieder die Einhelligkeit, alle sind mit dem Zustand unzufrieden.
Die Museen wollen hier vor allem eins: Noch mehr Museen
Ein Blick aus der Luft aber würde zeigen, dass der gordische Knoten nur durchschlagen werden kann, wenn die Brache an der Potsdamer Straße bebaut und der Begriff „Kulturforum“ auf den Platz vor der St. Matthäuskirche eingehegt wird. Nur das würde Zusammenhang stiften, die luftige Beliebigkeit beenden, zu der die Bauten verdammt sind. Eine Galerie des 20. Jahrhunderts würde sich anbieten, aber die Staatlichen Museen planen lieber in der Sigismundstraße. Sie wollen vorne, an diesem prominenten Ort nicht bauen, das heiße Eisen fasst an diesem Abend keiner an. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen, sind quasi von Berufs wegen begeistert: von der Dichte an Forschungs- und Kultureinrichtungen an diesem Ort. Ein Problem sehen sie nur in der Verweildauer der Gäste. Für Eissenhauer ist das Kulturforum sogar der Schlüssel zur Zukunft der Staatlichen Museen. Sammlungen, sagt er, hätten die Eigenschaft, unaufhörlich zu wachsen: „Wir haben einen enormen Raumbedarf.“
Und so geht es an diesem Abend in der Akademie fast ausschließlich um die Expansion der Museen. Dass hier ein Overkill, eine Monokultur droht, dass am Kulturforum auch Wohnungen entstehen könnten, wird völlig ignoriert. Auch wenn ein Besucher berlinert: „Museen ham wa jenuch!“ Restaurants und Kneipen fehlen: „Dit is die Seele det Janzen“. Wie in Wien: Dorthin lenkt Leonie Baumann den Blick. Im Wiener Museumsquartier ist die bauliche Situation zwar geschlossener, aber ein gemeinsames Logo, eine Website, einen Terminkalender – das sollte auch in Berlin gelingen, als pragmatischer Anfang. Dazu: Gastronomie. In Wien kommen viele Besucher in erster Linie wegen der Restaurants.
Die Menschen wollen essen. Das ist nicht so banal, wie es klingt.
Die Berliner Museen bleiben unentschieden. Sie wollen wachsen, lehnen aber Verantwortung für den Stadtraum ab. „Letztlich ist unsere Arbeit nach innen gerichtet“, sagt Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie. Er sieht seine Hauptaufgabe darin, den Gemälden ein Dach und Sicherheit zu bieten. Eissenhauer flüchtet sich gleich ganz zu Gertrude Stein: „Ein Museum ist ein Museum ist ein Museum.“ Christophe Knoch von der Freien Szene kommt mit seinen Vorschlägen beim Publikum am besten an: eine temporäre Nutzung des Forums für die Künstler, die jetzt in Berlin leben. Sie sollen dort nicht nur ausstellen, sondern in Ateliers und Proberäumen arbeiten. Kunst nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu produzieren, das könnte tatsächlich könnte ein entscheidender Schritt zur Belebung des Forums sein.
Der Abend brachte als Erkenntnis, dass ein Management für das ganze Kulturforum nötig ist. Und: Die Menschen wollen essen, das ist nicht so banal, wie es klingt. Warum sich die Stätte in einer solch kafkaesken Situation befindet, blitzte zumindest kurz auf. Die Preußenstiftung hat sich nach der Wiedervereinigung zunächst der Museumsinsel und der Staatsbibliothek Unter den Linden zugewandt. Und es fehlt am politischen Willen der Stadtspitze – Christhard-Georg Neubert von der Stiftung St. Matthäus kleidet es in den schönen Begriff von der „Indolenz“, der Schmerzunempfindlichkeit der Stadt. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sitzt zwar im Publikum, aber auch sie spricht nur unpersönlich von „man“ und ruft ansonsten, wenig kreativ, nach dem Bund. Am 28. April soll sich die Zeitschleife weiter drehen. In der nächsten Debatte geht es konkret um Architektur.