Kultur: Gary Cooper: Cowboy des Anstands
Die meisten Boys in Hollywood waren zuerst Schauspieler, ehe sie Cowboys wurden. Bei ihm war es genau umgekehrt.
Die meisten Boys in Hollywood waren zuerst Schauspieler, ehe sie Cowboys wurden. Bei ihm war es genau umgekehrt. Er hatte die Schauspielerei auch nie gelernt. Deshalb fanden sich seine Regisseure damit ab, dass er vor der Kamera nichts machte. Und dann hat sich noch jeder, der bei den Mustervorführungen die "rushes" sah, gewundert, was er, unsichtbar für alle, dennoch angestellt hatte: mit seiner hohen hageren Gestalt, den langen Armen und Beinen, den grossen Händen, der gerunzelten Stirn und den tiefen Magenfalten um die Mundwinkel.
Frank James Cooper war auf der Farm seines Vaters, der Richter war in Montana, mit den Pferden aufgewachsen. Beim Studium hielt er es nicht lange aus, sondern wurde lieber Zeichner bei einer Zeitung in Helena, seinem Heimatort. Auch in Los Angeles versuchte er sich zuerst bei Zeitungen und dann als Agent einer Reklamefirma. Als er kein Glück damit hatte, bewarb er sich beim Goldwyn-Studio als Cowboy-Statist. Da er ungelernt war, brauchte er viele Jahre, bevor er anständige Rollen bekam, vor allem, was sonst, als Westerner und Cowboy. Die Filme hiessen denn auch so: "The Eagle", "Arizona Bound oder schlicht "Nevada".
Er hatte schon etwa dreissig seiner insgesamt rund hundertzwanzig Filme hinter sich, als er mit "The Virginian" (Der Mann aus Virginia) 1929 endlich zum Star wurde. Da war aus dem Stummfilm der Tonfilm geworden, und Gary Cooper, der aufrechte, nie sonderlich redselige Held, hatte sein neues Image, das ihm treu blieb, als "slow speaking, deep thinking American hero".
Mitte der dreissiger Jahre führte er eine Fronde der Schauspieler gegen die Big Companies an und war Mitbegründer einer neuen Gewerkschaft. Doch die Rachsucht der Studios und die Verärgerung der Academy hielten sich offenbar in Grenzen. Kurz, als es um die Oscars für das Jahr 1941 ging, triumphierte Gary Cooper über keinen geringeren als Orson Welles. Der ging für "Citizen Kane" leer aus, während Cooper für seinen "Sergeant York" ausgezeichnet wurde, für die Darstellung eines amerikanischen Helden aus dem ersten Weltkrieg in einem Bio-Pic, das Howard Hawks noch rechtzeitig als Beitrag zur Vorbereitung Amerikas auf einen neuen Weltkrieg gedreht hatte.
Auch Coopers zweiter (und berühmterer) Oscar galt der Würdigung eines amerikanischen Helden, des alternden und längst amtsmüden Marshalls Bill Kane, der, von allen anderen im Stich gelassen, ganz allein die Ehre einer feigen Stadt und das Selbstbewusstsein einer tapferen Nation rettet. Während die anderen kneifen und auch seine ihm soeben angetraute junge Frau, die Quäkerin Grace Kelly, zur Flucht drängt, besteht er in Hadleyville den schier aussichtslosen Kampf gegen vier Banditen, gramgebeugt, mit tief gefurchter Stirn und voller Todesahnung der Einsame und Einzelgänger. "High Noon" (Zwölf Uhr mittags), immer noch sprichwörtlich, war in den 50er Jahren der Kultfilm schlechthin, mit dem sich das von allen Freunden verlassene und einsam in Korea kämpfende Amerika gnadenlos identifizieren konnte, der Western für den Westen.
Cooper hat - das war so ähnlich wie das mit den Pferden - nie andere als hoch anständige Typen spielen können, den Fremdenlegionär neben dem Tingeltangelgirl Marlene Dietrich in Sternbergs "Marokko", den demokratischen Biedermann in den Filmen von Frank Capra oder den Hemingway-Held wie aus dem Buch: "In einem anderen Land" und "Wem die Stunde schlägt". Frauen haben nie einen netteren, rücksichtsvolleren Mann kennen gelernt, der in den Komödien von Ernst Lubitsch sogar beinahe frivol sein kann, sich in "Serenade zu dritt" Miriam Hopkins mit Fredric March teilt und in "Blaubarts achte Frau" einen Schlafanzug mit Claudette Colbert; sie bekommt beim Einkauf, bei dem sie sich kennenlernen, das Oberteil. Doch als er dann der blutjungen Ariane Audrey Hepburns begegnet, lässt Billy Wilder den alternden Playboy auf deren "Liebe am Nachmittag" verzichten. Da war der Mann, der in Wirklichkeit nie ein Lebemann war, sechsundfünfzig.
Er war gerade mal sechzig Jahre alt geworden, als er am 13. Mai 1961, sechs Tage nach dem Geburtstag, seinem schweren Krebsleiden erlag. Den Ehren-Oscar, seinen dritten also, der ihm kurz vorher verliehen worden war, hatte schon Freund James Stewart für ihn entgegen nehmen müssen.
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