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 Désiré Feuerle präsentiert in einem ehemaligen Bunker am Landwehrkanal seine Sammlung ostasiatischer antiker Kunst.
© Doris Spiekermann-Klaas

Private Showrooms in Berlin: Gallery Weekend: Raum und Wunder

Feuerle, Stoschek, Morenz: Immer mehr Sammler eröffnen in Berlin private Showrooms.

Der Weg in Berlins neuestes Privatmuseum führt an den Landwehrkanal. Tausende von Autofahrern kommen hier jeden Tag vorbei, den alten Telekommunikationsbunker aus dem Zweiten Weltkrieg sehen die meisten trotzdem nicht. Jahrzehntelang lag er ungenutzt hinter Bäumen verborgen. Früher gehörte der Betonkoloss der Reichsbahn, war DDR-Eigentum auf Westgebiet. Diesen vergessenen Bunker hat nun der Kunstsammler und Asien-Connaisseur Désiré Feuerle gekauft und dem britischen Architekten John Pawson umsichtig renovieren lassen.

„Ich habe lange nach einem passenden Ort gesucht, überall auf der Welt“, sagte der in Asien lebende Feuerle beim Besichtigungstermin. „The Feuerle Collection“ steht in feiner Schrift und edlem Rot auf der schroffen Betonwand. Nach dem Bunker in der Reinhardstraße, in dem Christian Boros seine Sammlung zeigt, ist das der zweite spektakuläre Kunstbunker der Stadt. Nur wird Feuerle nicht wie Boros hier leben. Er bleibt in Asien.

Lange Zeit hieß es, Berlin sei zwar die Stadt der Kunst, nicht aber der Sammler. Das scheint sich spätestens jetzt zu ändern. In den letzten fünf Jahren haben etliche Sammler eigene Ausstellungshäuser in Berlin eröffnet, Axel Haubrok in Lichtenberg (siehe S. 23) , Thomas Olbricht in der Auguststraße, Timo Miettinen den Salon Dahlmann in Ku’damm-Nähe. Jetzt lädt die Feuerle Collection zum Gallery Weekend zur Preview, dann wird sie Ort der 9. Berlin Biennale, bevor sie im Oktober offiziell ihre Pforten öffnet.

Bringen private Sammlungen öffentliche in Bedrängnis?

Anfang Juni eröffnet auch die Düsseldorfer Unternehmenserbin und Kunstsammlerin Julia Stoschek eigene Räume an der Leipziger Straße. In Charlottenburg tritt die EAM Collection von Elke und Arno Morenz verstärkt ans Licht der Öffentlichkeit. Damit ist Kunst in der Stadt zu sehen, die unterschiedlicher und aufregender nicht sein könnte. Désiré Feuerle sammelt imperiale chinesische Möbel und antike Kunst aus Südostasien. Julia Stoschek hat sich auf medienbasierte Installationen spezialisiert. Und Arno Morenz liegen die Werke der französischen Lettristen am Herz.

Pure Bereicherung, wie es scheint. Oder bringen die neuen Privatmuseen die öffentlichen Sammlungen der Stadt in Bedrängnis? Schließlich konkurrieren sie um dasselbe Publikum – und die Privaten haben es in vielerlei Hinsicht leichter. Gerade wird im Humboldt-Forum fieberhaft daran gearbeitet, die südamerikanische, asiatische und afrikanische Kunst aus den Dahlemer Museen in einen zeitgemäßen Kontext zu stellen und ihre koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten. Es ist ein zähes Ringen, viele Beteiligte müssen berücksichtigt und ins Boot geholt werden. Désiré Feuerle hat als Privatmann den Dialog der Zeitalter und Kulturen mit leichter Hand schon geschafft.

Auf zwei Etagen und mehr als 6000 Quadratmetern zeigt der Kunsthistoriker, der verschiedene Kunstsammlungen berät, kaiserlich-chinesische Möbel sowie Khmer-Skulpturen aus dem 7. bis 13. Jahrhundert, kombiniert sie ungeniert mit erotischen Bildern des japanischen Fotografen Nobuyoshi Araki oder mit glänzenden Objekten von Anish Kapoor. Ein Steinbett aus dem kaiserlichen Palast tritt in Dialog mit zwei goldfarbenen Bananen von James Lee Byars. Die kostbaren Skulpturen sind so luftig und licht gestellt, wie man es sich in den Staatlichen Museen nie erlauben könnte.

„Ich mag den Kontrast“, sagt Feuerle. Schon in den Neunzigern kombinierte er in seiner Kölner Galerie historische mit zeitgenössischen Positionen. Nun schickt er Besucher durch einen stockdunklen SoundRaum oder lässt sie exklusive Duftzeremonien buchen. Nicht mehr als 14 Menschen zur gleichen Zeit.

In Berlin pflegen Künstler ihre Netzwerke

„Ich möchte jetzt auch da präsent sein, wo die meisten Interessenten für meine Sammlung, mein Künstlerprogramm und für Kooperationen sind“, ließ Julia Stoschek, die privat schon länger ein Standbein in Berlin hat, in Interviews wissen. Genau deshalb zieht es Sammler nach Berlin: Hier bekommen sie die Aufmerksamkeit, die sie sich für ihre Kunst wünschen, hier pflegen sie ihre Netzwerke.

Im Gegensatz zu den öffentlichen Museen sind die privaten Hausherren meist nicht auf zahlendes Publikum angewiesen. Auch Stoschek muss mit ihrer Sammlung kein Geld verdienen. Als Gesellschafterin und Erbin der Coburger Fahrzeugteile-Firma Brose verfügt sie über genug eigene Mittel. Der Eintritt in ihrer Düsseldorfer Sammlung ist frei. Und so wird es wohl auch in ihrer Berlin Dependance sein, wo sie ab 2. Juni im Gebäude des ehemaligen tschechischen Kulturzentrums in Mitte 2500 Quadratmeter mit internationaler Medienkunst bespielen wird.

Berlin wird mit den neuen Sammlungen als Kunststadt attraktiver

Der ehemalige Journalist Arno Morenz, der sein Geld als Vorstandsvorsitzender einer Rückversicherungsgesellschaft verdiente, hat seine Sammlung mit Gemälden, Büchern und Dokumenten der französischen Lettristen bisher nicht öffentlich gezeigt. In seiner Wohnung im vierten und fünften Stock eines Charlottenburger Altbaus hängen unter anderem Schlüsselwerke von Isidore Isou und Maurice Lemaître, den Hauptvertretern des Lettrismus, einer nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Avantgarde-Gruppe, die teils bis heute Bilder mit unlesbaren Buchstaben und Schriften erfindet.

Bisher hat Morenz in seiner üppigen Sammlung überwiegend Gäste und Mitglieder aus Museumsfreundeskreisen empfangen. Nun hat er sich zum Ziel gesetzt, die Kunst der Lettristen populärer zu machen. Auch deshalb will er die Sammlung öffnen, vielleicht sogar mit regelmäßigen Öffnungszeiten. Auch Veranstaltungen sind geplant. Am 23. Mai lädt er zum Gespräch über Zero und den Lettrismus. Ähnlich wie Feuerle und Stoschek ist auch Morenz ein Sammler aus Leidenschaft. Zu den Lettristen kam er über seine Ehefrau Elke, die als Studentin in Paris Maurice Lemaître begegnete.

So persönlich wie der Zugang zur Kunst war auch Morenz’ Entscheidung für Berlin. Nach dem Tod seiner Frau zog er mit seiner Sammlung von Paris an die Spree. „Meine Töchter leben hier, viele französische Künstler, auch etliche Freunde aus aller Welt sind im Alter nach Berlin gezogen“, sagt er. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: „Hier ist es möglich, eine große Wohnung zu haben, in der die Sammlung gezeigt werden kann. In Paris hatten wir viel weniger Platz.“ Berlins Anziehungskraft als Kunststadt ist also nach wie vor stark. Mit den neuen Sammlungen wird sie noch attraktiver.

Feuerle Collection, Hallesches Ufer 70, 30. 4. bis 7.5., täglich von 11 – 19 Uhr, Voranmeldung unter: www.thefeuerlecollection.org. EAM Collection nach Vereinbarung: arnomorenz@eam-collection.de

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