Tate Britain zeigt nur Werke von Frauen: Für ein Jahr: Frauenquote von 100 Prozent
Männer weg, Frauen ran an die Wand: Die Tate Britain hängt ihre Sektion für zeitgenössische Kunst um. Eine radikale Geste für die Gleichstellung.
Die Zukunft ist weiblich, zumindest in der Tate Britain. Das Londoner Museum arrangiert seine Sammlung zeitgenössischer Kunst neu und hängt ab April 2019 dort für mindestens ein Jahr sämtliche Werke von Männern ab. In der Sektion für britische Kunst seit 1960 sind dann ausschließlich Arbeiten von Künstlerinnen zu sehen, darunter Sarah Lucas, Mona Hatoum und Bridget Riley.
Die neue Hängung ist eine der Initiativen der Tate-Galerien, um Frauen in der Kunst zu fördern. Tate-Chefin Maria Balshaw sagte dem „Guardian“, sie hoffe, dass den Besucherinnen und Besuchern die neue Hängung gar nicht auffällt, da Künstlerinnen ein zentraler Teil der neueren Kunstgeschichte seien. Einen bisher zähen Prozess will sie durch diese Maßnahme beschleunigen. Balshaw übernahm 2017 die Leitung der Tate-Galerien als Nachfolgerin von Nicholas Serota. Sie ist die erste Frau an der Spitze dieses britischen Museumsverbunds.
Solche radikalen Ansätze gibt es auch in der deutschen Kulturszene immer öfter. Anna Bergmann, die neue Schauspieldirektorin des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, sorgte für Aufsehen mit der Entscheidung, in ihrer ersten Spielzeit nur Regiearbeiten von Frauen zu zeigen. DOK Leipzig setzte sich als erstes Filmfestival eine Frauenquote von 40 Prozent zum Ziel, die es dieses Jahr sogar übertraf.
Die Guerilla Girls kämpfen gegen die Missstände
Auch der Einfluss von Frauen in der Kunstwelt wächst. Immer mehr Frauen übernehmen die Leitung renommierter Institutionen; die Medienkünstlerin Hito Steyerl wurde 2017 von der „Art Review“ zur einflussreichsten Person der Kunstwelt gekürt. Trotzdem verdienen Künstlerinnen immer noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen und sind in Museen weiter stark unterrepräsentiert. Besonders in den Sammlungen.
Die feministische Künstlerinnengruppe Guerilla Girls thematisiert diese Missstände seit den 80er Jahren. Von ihnen stammt der Satz „Müssen Frauen nackt sein, um ins Met Museum zu kommen?“ Damit machten sie darauf aufmerksam, dass 1989 im New Yorker Metropolitan Museum lediglich 5 Prozent der Werke von Frauen stammten, während 85 Prozent der Akte weiblich sind.
Frauen sind Special-Interest-Sujet
Dieser Missstand wird zunehmend in Sonderausstellungen thematisiert. Auch die Alte Nationalgalerie in Berlin plant 2019 eine Schau nur mit Künstlerinnen. Das Problem: Frauen in der Kunst werden als Special-Interest-Sujet behandelt, während Kunst von Männern weiterhin als universal betrachtet wird.
Die Tate-Initiative ist radikaler, weil es sich nicht um eine Sonderschau handelt, sondern Künstlerinnen selbstverständlich die britische Kunstgeschichte repräsentieren. Zunächst mögen solche Maßnahmen übertrieben erscheinen. Doch sie könnten Vorbild auch für deutsche Institutionen sein, denn viel zu lange hing fast ausschließlich Kunst von Männern in den Museen. Das Ab- und Umhängen könnte zum Gegengift werden in einem immer noch toxischen System.