US-Film: Frühling kann mörderisch sein
Strandparties mit Komasaufen und Kokslinien: „Spring Breakers“ erzählt von den beliebten Stundentenausflügen in den Frühjahrsferien nach Florida. Dabei stimmt Regie-Rebell Harmony Korine einen Abgesang auf die Popkultur an und schlägt sie mit ihren eigenen Mitteln.
Ziemlich hinterlistig: Dieser Film dürfte gerade denen gefallen, über die er sich lustig macht. Die „Spring Breakers“ sind vier feierwütige Studentinnen, die ein Restaurant ausrauben, um sich ihren Frühlingsferientrip nach Florida zu finanzieren. Dort tauchen sie ein in PartyExzesse mit Unmengen von Alkohol, harten Drogen und Sex. Später schließen sie sich dem schillernden Gangster Alien (James Franco) an, und der wirft mit Geld um sich wie mit Konfetti.
Rapvideos und Scripted-Reality-Shows zelebrieren exakt diesen Lebensstil. Regierebell Harmony Korine übernimmt hier virtuos die Ästhetik solcher Formate: hektische Schnittfrequenz, pulsierende Musik, leicht bekleidete Luxuskörper. In Zeitlupe schwingt das ekstatische Partyvolk die Hüften, zieht Koks von Silikonbrüsten und schleckt mit laszivem Blick Eis am Stiel. Und Star-Kameramann Benoît Debie macht aus dieser Welt fluoreszenter Bikinis und glitzernder Goldzähne eine Bilderorgie in knalligen Bonbon-Farben.
Da dürfen auch die Ikonen des Popkultur-Zirkus nicht fehlen: Sängerin Selena Gomez spielt eine Hauptrolle, ihr Ex-Freund Justin Bieber taucht zumindest im Abspann auf, und Britney Spears ist nicht nur auf dem Soundtrack vertreten, sondern wird von den Protagonisten sogar als „Philosophin“ gehandelt. Kein Wunder, dass Pro 7 derlei geballte Promi-Power unterstützt.
Die Ironie dabei: Harmony Korine tut nur so, als ließe er sich von der Unterhaltungsmaschinerie vereinnahmen. Tatsächlich stimmt er einen Abgesang auf den massenmedial gesteuerten Hedonismus an. Am deutlichsten wird das in Gestalt der von Selena Gomez verkörperten Faith. Ihrem Namen entsprechend, trägt sie Glauben und moralische Festigkeit vor sich her. Doch will auch sie an den profanen Ausschweifungen ihrer Freundinnen teilhaben und verkauft sich den Widerspruch folglich als spirituelle Bereicherung. Korine bereitet es merklich Freude, Gomez’ reinliches Disney-Image zu beflecken und zugleich die in den USA weit verbreitete Religiosität als Inszenierung zu enttarnen.
Die anderen Mädchen dagegen bauen eine solche Fassade gar nicht erst auf. „Geld macht mich feucht“, gesteht eine von ihnen und erklärt so die Anziehung, die vom Gangster Alien ausgeht. Er selbst nennt seinen protzigen Lebensstil den wahr gewordenen amerikanischen Traum. Womit Korine lustvoll einen zentralen Mythos Amerikas entweiht: Nicht dem sich nach oben arbeitenden Tellerwäscher gilt heute die Bewunderung, sondern dem Gangster.
„Spring Breakers“ passt vorzüglich in das Werk des polarisierenden US-Regisseurs, der pessimistische Sozialstudien über die Niedertracht des Menschen mit Elementen des Exploitationfilms vermischt. Wobei der Zuschauer, von Korine zum Komplizen genommen, seinen eigenen Voyeurismus als bloße Imitation massenmedialer Techniken kaschieren darf. Schade nur, dass die Message insgesamt etwas moralinsauer wirkt. So erklingt im Off immer wieder das Geräusch einer feuernden Schusswaffe. Und der Lebenswandel der Mädchen wird als Absturz ins Verderben gebrandmarkt. Und doch gelingt der Angriff auf die Welt der Popkultur mit deren eigenen Waffen: Korine legt die Instrumentalisierung von Sex and Crime durch die Medien offen – und zeigt zugleich, wie stark diese Mechanismen längst die reale Lebenswelt durchdringen. Frei nach dem Motto: Du bist, was du schaust.
In 13 Berliner Kinos. OmU: Babylon Kreuzberg, Hackesche Höfe, Moviemento, Odeon
Martin Gobbin
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