Kultur: Fritzi Haberlandt: Zart ist der Abendhauch
Sie war die Entdeckung beim letzten Berliner Theatertreffen - und wurde jetzt in der Umfrage der Zeitschrift "Theater heute" zur "Nachwuchsschauspielerin des Jahres" gewählt. Der Ausnahmeschauspielerin Fritzi Haberlandt gönnt man es von Herzen.
Sie war die Entdeckung beim letzten Berliner Theatertreffen - und wurde jetzt in der Umfrage der Zeitschrift "Theater heute" zur "Nachwuchsschauspielerin des Jahres" gewählt. Der Ausnahmeschauspielerin Fritzi Haberlandt gönnt man es von Herzen. In Michael Thalheimers Hamburger "Liliom"-Gastspiel, vielleicht die aufregendste, intelligenteste Inszenierung des letzten Jahres, konnte man sie beim Theatertreffen erleben. Ein altes Stück vom Beginn des letzten Jahrhunderts, ganz neu erzählt, zart und schroff und von allem Sentiment entschlackt. Im Zentrum der Aufführung stehen zwei Schauspieler: Peter Kurth, der seinem Liliom Brutalität und ein hilfloses Leiden an sich selbst gibt, und eine junge, faszinierende Julie, Lilioms Geliebte: Fritzi Haberlandt, gerade Mitte zwanzig und eine der aufregendsten Schauspielerinnen ihrer Generation.
So stumm und nach innen gewendet Fritzi Haberlandt die Julie spielt, so offen, unprätentiös und direkt wirkt sie im Gespräch. Das erste, was bei einer Begegnung mit ihr auffällt, ist das Tempo ihrer Sätze: Jemand, der seinen Gedanken beim Reden auf der Spur bleibt, nicht routiniert Antworten abspult, sondern offenkundig Spaß daran hat, den anderen am eigenen Denken und Erzählen teilhaben zu lassen. Vom Alter her gehört Fritzi Haberlandt zur Generations-Fraktion Pop-Theater, aber die polemische Abgrenzung gegen älteres Theater ist ihr fremd. "Wenn es im Theater nur im Drogen und Ficken geht, ist das nicht besonders interessant", sagt sie. "Kabale und Liebe finde ich einfach spannender und so viel berührender, reicher in den Gefühlen als Shoppen und Ficken". Eine, die sich nicht um Trends kümmert und sich lieber darauf freut, in der beginnenden Spielzeit in Schillers bürgerlichem Trauerspiel am Thalia Theater in Hamburg die Luise Millerin zu spielen, wieder unter Thalheimers Regie. "Liliom" war die erste gemeinsame Arbeit - und offenbar eine mehr als glückliche: "Er weiß genau, was er will. Nichts ist schlimmer als Regisseure, die ewig ziellos rumprobieren. Thalheimer weiß, was Schauspieler brauchen, wahrscheinlich auch, weil er selbst früher Schauspieler war. Und die Julie will ich verteidigen bis zum Letzten."
Fritzi Haberlandt hat an der Schauspielschule Ernst Busch in Berlin studiert, aber an die Schaubühne, zu ihrem früheren Kommilitonen Thomas Ostermeier, zog es sie nicht, obwohl sie das Theater in der Baracke "total mochte". Noch während des Studiums spielte sie in Robert Wilsons Inszenierung "Saints and Singing". Wer sie im Hebbel-Theater in dieser Aufführung sah, erinnert sich an das markante Gesicht, den noch in Wilsons Formalisierungen stark ausgeprägten persönlichen Ausdruck. Später übernahm sie eine Rolle in Wilsons Inszenierung von "Dantons Tod" - und war schon sehr bewegt davon, plötzlich neben so berühmten Schauspielern wie Edith Clever und Martin Wuttke auf der Bühne zu stehen. Der Ausbildung folgte vor knapp zwei Jahren das erste Engagement in einem mittelgroßen Stadttheater - und das war "genau das Richtige".
Am Schauspielhaus Hannover fühlte sich Fritzi Haberlandt aufgehoben, im Ensemble und von den Regisseuren gut behandelt. Kontinuität scheint ihr wichtiger als das schnelle Hochkatapultiertwerden in den Star-Status. "Theater muss etwas von einer Familie haben. Und deshalb ist es natürlich toll, auch mit älteren Schauspielern zusammenzukommen. Ich brauche vertraute Menschen." Alles andere als eine abgebrühte Karrieristin. Eher eine Zweiflerin als eine Auftrumpfende. Meistens findet sie sich, zumindest vor der Premiere, "superschlecht", die "Angst, wie das weitergehen soll", wird vom Erfolg nicht weggewischt. Integrer Umgang miteinander wird so zur Voraussetzung gemeinsamer Arbeit. Fritzi Haberlandt findet es wichtig, "dass sich ein Intendant menschlich für mich interessiert" und nennt sich selbst "harmoniebedürftig". "Nach einem Krach auf der Probe kann ich nicht schlafen. Das muss dann irgendwie aus der Welt geschafft werden".
Als der Hannoveraner Intendant Ulrich Khuon zu Beginn der letzten Spielzeit das Hamburger Thalia Theater übernahm, ging Fritzi Haberlandt mit - und spielte nebenbei in ihrem ersten großen Kinofilm. Für ihre Rolle in der Ingrid Noll-Verfilmung "Kalt ist der Abendhauch" wurde sie mit dem Nachwuchspreis des Bayerischen Filmpreises ausgezeichnet. Am Thalia Theater gehört sie nach der ersten Spielzeit zu den prägenden Protagonistinnen - und wer nicht bis zum nächsten Theatertreffen warten will, um sie wieder spielen zu sehen, muss halt nach Hamburg fahren.
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