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Kultur: Friedhof der Maschinen

Malerei des jungen Rumänen Leonardo Silaghi in der Galerie Kornfeld.

Was für seltsame Apparaturen. Es gibt Rohre, die im schwarzen Nichts enden, und Förderbänder, die schon lange nichts mehr transportieren. Wahrscheinlich könnten sie es nicht einmal, denn die übergroßen Maschinen auf den Gemälden von Leonardo Silaghi wirken ziemlich konstruiert. Und ein bisschen wie Schrott, der sich auf einer Müllhalde zum Gedächtnis einer ganzen Epoche versammelt. Bloß dass sich niemand mehr dafür interessiert.

Hierzulande sind die Zechen, Raffinerien und andere Varianten schmutziger Schwerindustrie längst Geschichte. In Rumänien hat es nach 1989 etwas länger gedauert, bis sich das industrielle Zeitalter endgültig verabschiedete. Der Künstler, gerade 25 Jahre alt, dürfte die anachronistischen Anlagen seiner Heimat noch verinnerlicht haben – so denkt man jedenfalls mit Blick auf die Biografie Silaghis, der an der Universität für Kunst und Design in Cluj studiert hat.

Dabei fotografiert er Situationen aus der unmittelbaren Gegenwart oder holt sich die Motive aus dem Netz. Ältere Arbeiten von 2011, die neben neuen Bildern des Malers in der ebenfalls jungen Galerie Kornfeld zu sehen sind, lassen an plumpe Waschmaschinen aus Edelstahl denken. In den jüngeren Großformaten klingt Gegenständlichkeit bloß noch an. Mal reißt die Farbe auf und bildet abstrakte Muster, dann wieder verschränkt Silaghi so viele technische Elemente ineinander, dass man sie einzeln gar nicht identifizieren kann. Hier verrät sich auch die Herkunft seiner visuellen Vorlagen, denn die fotografischen Funde aus dem Internet sind ebenfalls unperfekt oder werden von ihm selbst verfremdet. Pixel, Verzerrungen, Überblendungen: Das alles ist dem Künstler aus der digitalen Welt seines Computers ebenso vertraut wie die Umbruchprozesse in Osteuropa.

Silaghi kreiert daraus ein eigenes Universum. Keines der schnellen Bilder, wie man mit Blick auf seine Materialien der Anschauung annehmen könnte. Stattdessen kristallisiert sich in den heftigen Dimensionen der toten Maschine, ihren überreichen Details und dem Effekt des Grisaille, das die Oberflächen der gemalten Objekte wie Blech oder Blei und die Leinwände schwer wirken lässt, ein Wunsch nach Beharrlichkeit.

Fast obsessiv montiert der Maler auf jeder Arbeit die Elemente aufs Neue zusammen. Nachdem er jedesmal mit ein „bisschen Farbe“ beginnt, um der leeren Leinwand aus dem Weg zu gehen. Daraus resultiert eine zweite Schicht von abstrakter Malerei, die einen als optisches Grundrauschen durch alle Bilder begleitet. Oft blitzt sie durch das zähe Grau, und manchmal dominiert sie die Sujets sogar farblich mit grasgrünen, sonnengelben oder tiefroten Flächen. Vor allem aber erinnert sie immer wieder daran, dass Silaghi hier imaginäre, artifizielle Orte entwirft. „Noise Distorted Perspective“: Der Titel seiner ersten Präsentation in Berlin (Preise der Bilder: 2800–22 500 Euro) ist durchaus symbolisch zu verstehen. Die Montage der drei Worte ergibt keinen konkreten Sinn, eröffnet aber ein assoziatives Panorama. Ähnliches geschieht in den Bildern mit ihren gestisch-expressiven, dann wieder fein ausgearbeiteten Partien. Nichts passt, aber alles fügt sich auf perfekte Weise zusammen. Christiane Meixner

Galerie Kornfeld, Fasanenstr. 26; bis 23.2., Di–Sa 11–18 Uhr

Christiane Meixner

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