Jüdisches Filmfestival: Frieden auf dem Fußballplatz
Von der Politsatire bis zum Horrorfilm: Das Jüdische Filmfestival in Berlin und Potsdam zeigt neueste Filme aus Israel. Los geht's am 4. Juni.
Der Fußball soll es richten. Der Konflikt in Nahost hat lange genug gedauert, Friedensverhandlungen sind oft genug gescheitert. Die Sache wird jetzt auf dem Platz geklärt. Palästinenser gegen Israelis, der Ball ist rund, der Rasen grün, das Spiel dauert 90 Minuten. Der Gewinner bekommt das Land, der Verlierer räumt das Feld – endgültig. Mit diesem Szenario aus der Mockumentary „90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden“ wird am Sonnabend das 22. Jüdische Filmfestival Berlin und Brandenburg (JFFB) angepfiffen.
Eyal Halfons köstliche Polit-Satire, eine israelisch-deutsche Koproduktion, ist ein fulminanter Kickstarter für das Festival, dessen Finanzierung im März noch auf der Kippe stand. Der Hauptstadtkulturfonds hatte überraschend seine Förderung gestrichen, aber das Auswärtige Amt sprang ein. So kann das wichtigste Forum für jüdischen Film in Deutschland erneut vielfältige Schätze der jüdischen Filmszene zeigen, in 14 Spielstätten und mit dem seit seiner Gründung umfassendsten Programm.
Da gibt es etwa den Horrorfilm „Dibbuk – Eine Hochzeit in Polen“, ein Glanzstück des Grusels: In Marcin Wronas moderner Interpretation der jüdischen Sagengestalt erscheint der Dibbuk als Seele eines toten Mädchens, die sich, die Feierlichkeiten in der polnischen Provinz gründlich aufmischend, des Bräutigams bemächtigt. Abgründigkeit gewinnt der Film durch Hinweise auf das real vernichtete jüdische Leben in Polen; seine gespenstische Komik zielt gegen eine Mentalität des Schweigens, mit der der schöne Schein gewahrt bleiben soll.
Fliehende und Flaneure
Der Traum vom Heiraten wird auch in Nitzan Giladys „Wedding Doll“ zum Albtraum – hier aber gespeist aus den Monströsitäten alltäglicher Diskriminierung: Hagit wünscht sich nichts sehnlicher, als vor dem Altar zu stehen. Aber ihr Liebhaber schämt sich für seine Zuneigung, denn Hagit ist geistig beeinträchtigt. Das Drama einer jungen Frau, die um Anerkennung und Selbstbestimmung kämpft, thematisiert die Lebensrealität vieler Menschen mit Behinderung vor der eindrucksvollen Szenerie der Wüste Negev im Süden Israels.
Ganz im Norden, am Abhang des Karmelgebirges, liegt Haifa. Auf den typischen Treppen der Stadt wandern in „Afterthought“ zwei grübelnde Männer: Der eine steigt die Stufen hinauf, auf der Suche nach dem Ohrring seiner Frau, der andere steigt sie zum Hafen hinunter, noch zögernd, ob er wirklich vor der Einberufung zum Militär flüchten soll. Beide sind Flaneure, Fliehende und Suchende. Elad Keidan experimentiert in seiner „existenziellen Komödie“ mit der Sinnkrise als inhaltlichem und ästhetischem Konzept.
Keidans Film wurde letztes Jahr in Cannes uraufgeführt, wie auch Natalie Portmans Regiedebüt „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“. Im gleichnamigen israelischen All-Time-Bestseller erinnert sich Amos Oz an die unruhigen Gründungsjahre des jüdischen Staats. Mit der Verfilmung hat Portman, die in Jerusalem geboren wurde, ihrer Loyalität zum Heimatland ein Denkmal gesetzt: Sie schildert das Oz’sche Familienschicksal und porträtiert den heute wichtigsten lebenden Schriftsteller Israels als „artist as a young man“. Der Film, in dem die junge Regisseurin selbst eine Hauptrolle spielt, ist ab November in unseren Kinos zu sehen.
Jüdisches Filmfestival, 4. bis 19. Juni in 14 Kinos in Berlin und Potsdam
Carolin Haentjes
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