zum Hauptinhalt
Fantasiewelten: Ein Sonntagsstrip von 1992.
© Carlsen

Calvin und Hobbes: Freunde fürs Leben

Neue Veröffentlichungen analysieren und feiern den Erfolgsstrip "Calvin und Hobbes" - und erinnern daran, wie groß die Lücke ist, die dessen Schöpfer Bill Watterson mit seinem Rückzug hinterließ.

2013 war ein gutes Jahr für deutsche Fans von Bill Wattersons "Calvin und Hobbes": Zuerst wurde die Übersetzung des Buches "Auf der Suche nach Calvin und Hobbes" (Carlsen, 304 S., 24,90 €) veröffentlicht, in dem der Journalist Nevin Martell ein akribisches Porträt des medienscheuen Zeichners schuf. Dann erschien nach acht Jahren endlich die überfällige Calvin-und-Hobbes-Gesamtausgabe auf Deutsch: Drei gewaltige Halbleinen-Bände im Schuber, versehen mit neuen Umschlag-Illustrationen und mit zehn Kilo Gewicht das schwerste Buch, das es je in die Bestsellerliste der "New York Times" schaffte. Versammelt sind alle 3160 veröffentlichten Strips sowie alle Sondergeschichten, die Watterson seit 1985 produziert hatte, bis er den Comic auf dem Höhepunkt seines Erfolgs 1995 beendete. Außerdem gab Watterson völlig überraschend ein Interview für das Magazin "Mental Floss"; gerade mal sein zweites in mehr als 20 Jahren. Und schließlich erschien am 15. November der Dokumentarfilm "Dear Mr. Watterson" - allerdings nur auf Englisch.

Der Erfolg überrumpelte den Autor

All das ist natürlich ein magerer Trost, wenn man bedenkt, dass es wohl nie wieder neue Abenteuer von Calvin und Hobbes geben wird, denn auch in dem besagten Interview erteilte Watterson sowohl einer Fortsetzung seines Comics als auch einer Verfilmung durch Pixar eine Absage - immerhin hatte er bereits Filmangebote von Steven Spielberg, Jim Henson oder George Lucas abgelehnt. Der Strip wäre heute vermutlich bekannter als die Peanuts oder Garfield, hätte Watterson jemals einer großflächigen kommerziellen Verwertung zugestimmt, doch auch so ist die Popularität von Calvin und Hobbes ungebrochen: Bis heute wurden - ohne nennenswertes Marketing - mehr als 40 Millionen Bücher verkauft, über 2400 Zeitungen veröffentlichten den Strip.

Dabei waren der sechsjährige Elternschreck und sein Tiger anfangs nur Nebenfiguren in einem frühen Watterson-Strip namens "Fernbusterville", wie Nevin Martell aufzeigt: Schon hier besitzt Calvin einen Stofftiger, der lebendig ist, wenn er mit ihm allein gezeigt wird. Sind jedoch weitere Personen anwesend, wird Hobbes als lebloses Stofftier dargestellt - wessen Wirklichkeit real ist, wird nie aufgelöst. Ab 1985 begann Watterson, "Calvin und Hobbes" für das Universal Press Syndicate zu zeichnen. Mit großem Einfallsreichtum brachte Calvin ab sofort seine Eltern, Lehrer und Mitschüler zum Wahnsinn, während er sich in Fantasiewelten flüchtete und so komische wie philosophische Dialoge mit Hobbes führte.

Frühreif: Ein "Calvin und Hobbes"-Wochentagsstrip von 1992.
Frühreif: Ein "Calvin und Hobbes"-Wochentagsstrip von 1992.
© Carlsen

Der gewaltige Erfolg überrumpelte Watterson: Die Aussicht, berühmt zu sein, missfiel ihm zutiefst, ebenso wie jeder Versuch, seine Schöpfung in Form von Tassen, Bettwäsche oder Plüschfiguren zu vermarkten. Weder wollte er seine Figuren an jeder Straßenecke sehen, noch selbst im Rampenlicht stehen; in den wenigen Interviews, die er gab, waren Fragen nach seinem Privatleben tabu.

Diese Ausgangssituation fand Nevin Martell vor, als er 2005 beschloss, ein Buch über den introvertierten Zeichner zu schreiben. Nach erfolglosen Interview-A nfragen blieb ihm nur übrig, "so zu tun, als ob Watterson tot wäre". Soll heißen: Mit allen Menschen sprechen, die privat oder geschäftlich etwas mit ihm zu tun hatten. Im Laufe seiner Recherchen schälte sich heraus, was der Grund für das Ende des Strips war: Wattersons einziges Anliegen war, einen möglichst guten Comic zu zeichnen, doch der Rummel um seine Person sowie die Kämpfe mit denen, die seine Schöpfung vermarkten wollten, wurden irgendwann so belastend, dass sie ihm den Spaß an seiner Arbeit verdarben.

Opulent: Die jetzt bei Carlsen erschienene Calvin-und-Hobbes-Gesamtausgabe.
Opulent: Die jetzt bei Carlsen erschienene Calvin-und-Hobbes-Gesamtausgabe.
© Carlsen

Damit schützte er auch sich selbst, denn der Comic war zu stark mit seiner eigenen Persönlichkeit verstrickt, wo Watterson die Themen verarbeitete, die seinem Leben Bedeutung gaben: "Fantasie, echte Freundschaft, Tiere, Familie, die Natur, Ideen, Ideale... und pure Albernheit", zählt er in der umfangreichen Einleitung der Gesamtausgabe auf. Genau diese zeitlosen und menschlichen Themen sind - neben den lebendigen Zeichnungen, den unvergesslichen Figuren und ihrem weisen Humor - das Erfolgsgeheimnis von Calvin und Hobbes. Zudem forderte Watterson sich unerbittlich selbst und warf im Laufe seiner Karriere unglaublich viel Material weg, das er als zu schwach erachtete, wie er einmal sagte: "Die Güteklasse eines Strips wird von der Anzahl der im Abfall gelandeten Ideen bestimmt."

Bill Watterson: Calvin und Hobbes Gesamtausgabe. Übersetzung W. Götting und A. Bartoszko, Carlsen, 1440 Seiten, 99 Euro

Zur Startseite