Justin Doyle und der Rias Kammerchor: Freud und Leid
Der Rias Kammerchor gestaltet einen Abend über die Liebe. Den richtigen Ton dafür hat Chefdirigent Justin Doyle gefunden.
Mit den „Liebesliedern“ für zwei Pianisten und vier Singstimmen gelang Johannes Brahms ein unmittelbarer Erfolg. „Es war überfüllt, dass ich nie wusste, wie ich ans Klavier kommen sollte“, schrieb Clara Schumann in ihr Tagebuch. Die Pianistin spielte die Uraufführung am 5. Januar 1870 zusammen mit dem Komponisten: „Ich spielte sehr glücklich, das Publicum war in wahrem Enthusiasmus“. Auch die Notenausgabe verkaufte sich prächtig. Vier Jahre später veröffentlichte Brahms deshalb das Sequel: die „Neuen Liebeslieder“.
Seitdem sind bald 150 Jahre vergangen – und die Zyklen gehören nach wie vor zu Brahms’ beliebtesten Werken. Justin Doyle, der Chefdirigent des Rias-Kammerchors, legt nun mit seinem Ensemble und den türkischen Pianistinnen Ufuk und Bahar Dördüncü ein neues Programm rund um die Liebeswalzer auf. „Liebesreigen. Johannes Brahms im Spiegel seiner Zeit“ ist am Freitag im Kammermusiksaal zu hören.
„Jedes Lied ist ein Juwel“, schwärmt Doyle. Für Chor gebe es nur wenige ähnlich hochwertige Liedzyklen. Grundlage der Lieder sind Volksgedichte aus der Sammlung „Polydora, ein weltpoetisches Liederbuch“, ursprünglich Weisen aus dem osteuropäischen und vorderasiatischen Raum. Brahms macht daraus meisterliche Miniaturen von kaum mehr als ein oder zwei Minuten. Sie verschränken Musik und Text in raffiniert-plastischer Manier.
In ihrer musikalischen Komplexität sind die „Liebeslieder“-Zyklen weniger Volkslieder als Kunstlieder im Volkston. Und dennoch behalten sie die Unmittelbarkeit und Direktheit ihrer Wurzeln bei. „Volkslieder sind zeitlos“, betont Doyle, „sie sprechen jeden an.“ Seine Kinder singt der gebürtige Brite damit in den Schlaf. „Am besten funktionieren ,Guten Abend, gute Nacht‘ und ,Malaika, nakupenda Malaika‘ (Swahili für Engel, ich liebe dich)“, erzählt Doyle.
„Liebesreigen“ spickt Brahms’ Polydora-Vertonungen mit anderen Volksliedarrangements. Inspiration für die Auswahl lieferten Doyle die Bilder und Metaphern der „Liebeslieder“. Max Regers kaum bekannte „Wenn ich ein Vöglein wär“-Adaption „Liebchens Bote“ ergänzt Brahms’ „Ein kleiner, hübscher Vogel“, Roger Quilters „Drink to me only with thine eyes“ passt zu „Ihr schwarzen Augen“. Die Arrangements hat sich Doyle als bekennende „musikalische Elster“größtenteils von Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts geborgt, drei Weisen hat er selbst für seinen Chor ausgearbeitet.
In der Generalprobe funktioniert das ausgesprochen gut. Während eine zusammenhängende Aufführung beider „Liebeslieder“-Zyklen das Ohr mit ihrem permanenten Walzertakt ermüden kann, geben die diversen Stile und Besetzungsvarianten von Doyles „Liebesreigen“ eine wunderbar abwechslungsreiche Textur. Die Ergänzungen sind gut gewählt, teilweise sogar Entdeckungen, wie „The Turtle Dove“ von Ralph Vaughan Williams oder Doyles berückend jenseitig arrangiertes „Vem kan segla“. Dabei ist die Mischung so geschickt in Text und Musik abgestimmt, dass das zyklenhafte Kreisen rund um Leid und Freud der Liebe aus Brahms „Liebesliedern“ an keiner Stelle verloren geht.
Auch das Zusammenspiel der Dördüncüs und des Rias-Kammerchors überzeugt. Die beiden Pianistinnen führen den Chor an kritischen Stellen mit kräftig akzentuiertem Spiel, nehmen sich aber sonst angenehm zurück. Der Rias-Kammerchor singt mit piekfeiner Textartikulation und weiter Linie, die Solisten überzeugen fast durch die Bank. Nur bei Holsts „I love my love“ bleiben die Choristen in der Generalprobe etwas bräsig, muss Doyle sichtlich arbeiten.
Immer wieder singt der Chor a cappella, also ohne Begleitung. Als Kontrapunkt hat Doyle zudem einige rein instrumentale „Slawische Tänze“ eingefügt. Das dynamisch flexible Spiel von Ufuk und Bahar Dördüncü präsentiert Antonin Dvoraks Tanzreigen mit beeindruckender Vielschichtigkeit.
Die Generalprobe endet, wie auch das Konzert an diesem Freitag, mit „Zum Schluß“, der letzten Nummer aus Brahms’ „Neuen Liebesliedern“. Goethes Text bringt es – ganz klassisch – auf den Punkt: „Nun, ihr Musen, genug! / Vergebens strebt ihr zu schildern, / Wie sich Jammer und Glück wechseln / In liebender Brust. / Heilen könnet die Wunden ihr nicht, / Die Amor geschlagen; / Aber Linderung kommt einzig, / Ihr Guten, von euch.“
Kammermusiksaal, Freitag, 20 Uhr
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