Künstlerinnen in Berlin: Frauenmuseum eröffnet Ausstellung in Reinickendorf
Das Frauenmuseum ist seit jeher heimatlos. Jetzt gibt zeigt der Verein, der Künstlerinnen als Netzwerk und Plattform dient, eine neue Ausstellung in Reinickendorf.
Der Satz hat Rachel Kohn geärgert. Er ärgert sie immer noch. Drei Jahre ist es nun her, dass der berühmte Maler und Bildhauer Georg Baselitz in einem Interview sagte, Frauen könnten nicht so gut malen. Auch später rückte er von der Behauptung nicht ab – es sei schließlich ein Fakt. „Dass das allen Ernstes jemand öffentlich behauptet.“ Die 1962 geborene Bildhauerin und Keramikkünstlerin schüttelt den Kopf, ihre rotbraunen Locken fliegen. „Unfassbar.“
Kohn steht am Montagmorgen in der lichtdurchfluteten Galerieetage des Museums Reinickendorf, um sie herum Gemälde, Skulpturen und Installationen – ausschließlich Künstlerinnen stellen hier aus. Noch ist vieles in Luftpolsterfolie verpackt, die Bilder stehen auf dem Boden. Am Donnerstagabend startete die Ausstellung, in der das Frauenmuseum Berlin, in dessen Vorstand Kohn ist, gemeinsam mit dem Museum Reinickendorf Werke lokaler Künstlerinnen zeigt.
Der Verein hatte nie eigene Räume
Das sei jedoch keine Nische, betont Kohn. „Unser Kriterium ist nicht, dass die Arbeiten von Frauen sind, sondern dass sie eine hohe Qualität haben.“ Die Schau in Reinickendorf ist der fünfte Teil der Ausstellungsreihe „Heim_Spiel“, die Künstlerinnen des jeweiligen Bezirks vorstellt. Auch in Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf war man seit 2012 schon zu Gast. Der Verein, der seit Anfang der Neunziger aktiv ist, hatte nie eigene Räume. Lange Zeit waren die Frauen überwiegend in Charlottenburg und Wilmersdorf tätig. „Heim_Spiel“ habe das Frauenmuseum berlinweit bekannter gemacht, sagt Kohn.
Dabei bezieht sich der Veranstaltungstitel aber nicht nur auf das Heimspiel im herkömmlichen Sinne. „Uns interessiert die Vielfalt des Themas, im positiven wie im negativen Sinne. Heim, Heimat, Heimatlosigkeit, Heimlichkeit, Heimarbeit ...“ Kohn geht durch die Ausstellungsräume und deutet auf das Bild der Künstlerin Beate Hoffmeister. Auf den ersten Blick scheint die Collage nicht mehr zu sein als ein Netz von Linien. Erst beim Näherkommen sieht man, dass die Streifen aus alten Telefonbüchern ausgeschnitten wurden. Es geht darum, Verbindung herzustellen, auch eine zwischenmenschliche Beziehung als Heimat zu verstehen. Zugleich spielt das Werk auf die Smartphones der Flüchtlinge an, die ihnen als Verbindung in die Heimat dienen.
Nomadentum und Heimatlosigkeit
Für die Ausstellung gab es insgesamt 50 Bewerberinnen. Zehn wurden ausgewählt. In der Jury saßen neben Kohn auch Cornelia Gerner, die Leiterin des Museums Reinickendorf, die Kunstwissenschaftlerin Marion Thielebein und der Künstler Harald Karow.
Beim Rundgang durch die noch unfertige Ausstellung deutet Kohn auf drei Bilder, die auf einer Bank darauf warten, aufgehängt zu werden. Es sind Werke von Heike Ruschmeyer, die neben der Fotografin Sarah Strassmann die bekannteste Künstlerin der Ausstellung ist. Ruschmeyer beschäftigt sich mit erweiterten Suiziden, bei denen ein Elternteil erst die Familie und dann sich selbst tötet. Sie liest Gerichtsakten und hält die Taten in schwarz-weißer Ölfarbe fest. „Eine sehr intensive künstlerische Arbeit“, bemerkt Kohn.
Einen Raum weiter liegt eine aus Strohhalmen bestehende Skulptur der Künstlerin Gudrun Fischer-Bomert, die von hinten mit LED beleuchtet wird. Erst aus der Ferne ist zu erkennen, dass die Halme ein Haus ergeben. Bei einem anderen Werk Fischer-Bomerts formen schwarze Strohhalme das Gerüst zeltartiger Häuser.
Nomadentum, Heimatlosigkeit – diese Motive spiegeln sich nicht nur in den Arbeiten einiger „Heim_Spiel“-Künstlerinnen wider. Sie sind auch bestimmend für den Verein, der mit seinen Ausstellungen immer nur zu Gast ist. Doch die Frauen wollen das so.
„Interessanter, sich auf verschiedene Orte einzulassen“
Ein paar Wochen zuvor, Neujahrsempfang des Frauenmuseums in Schöneberg. Der Verein trifft sich im Atelier eines Mitglieds, es gibt selbst gemachte Häppchen. Arbeiten der Frauen sind hier ausgestellt, auch ein Werk von Kohn ist darunter: ein Haus aus Keramik, in dem überdimensional große Stühle stehen. Kohn und ihre Vorstandskollegin Julie August stimmen die Mitglieder auf 2016 ein, es geht auch um die Raumsituation. „Es gefällt uns, dass wir ein heimatloser Verein sind“, sagt August in ihrer Ansprache. „Es ist interessanter, sich auf verschiedene Orte einzulassen.“
Doch es klingt auch Frustration durch an diesem Abend – vor allem, was die Finanzen betrifft. Bei der neuen Ausstellung in Reinickendorf habe sich kein Sponsor für den von Julie August gestalteten Katalog finden wollen, am Ende schossen die Kommunalen Galerien Geld dazu. Anders als das Verborgene Museum, die Inselgalerie oder das Künstlerinnennetzwerk Gedok in Berlin wird das Frauenmuseum nicht institutionell gefördert. Die Senatskulturverwaltung begründet das damit, dass der Verein eben ohne festen Ort und feste Sammlung arbeitet.
Kohn betont aber, wie wichtig Initiativen wie das Frauenmuseum sind. Noch immer stellten Galerien weniger Werke von Frauen als von Männern aus, noch immer verdienten selbst Top-Künstlerinnen weniger als ihre männlichen Konterparts. „Ich kenne es von mir selbst: Knallharten Verhandlungen gehe ich aus dem Weg“, sagt Kohn. Da hilft es, wenn sich Frauen vernetzen und ihre Werke präsentieren. „Aber es gibt auch Künstlerinnen, die fürchten, es würde sie in eine Ecke stellen, in einem Künstlerinnenverband auszustellen.“ Dabei seien bei den Männern gerade die Seilschaften eine gute Basis, um voranzukommen.
Galerieetage im Museum Reinickendorf, Alt-Hermsdorf 35, 13467 Berlin, bis 29.5., Mo–Fr, So 9–17 Uhr