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Kultur: Flatterhaftes Finale

Bei der letzten Ballettpremiere der Komischen Oper lassen Ingun Bjornsgaard und Meryl Tankard Kunstschnee rieseln

Die Abschiedsworte von Andreas Homoki hatten Kühlschrank-Temperatur: Die Abwicklung des Balletts zum Saisonende, so der Intendant der Komischen Oper, sei notwendig gewesen, um die künstlerische Unabhängigkeit des Hauses zu gewährleisten. Dann legte ein DJ Lounge-Musik auf, aus dem Café del Mar, Ibiza. Doch warm ums Herz wollte keinem werden an diesem Abend.

Das BerlinBallett der Komischen Oper hat mit „Metamorphose“ seine letzte Premiere bestritten – noch bis Juni wird das Ensemble auftreten, um sich dann in alle Winde zu zerstreuen. Nur ein einziger Tänzer konnte sich in das neue „Staatsballett Berlin“ unter dem Dach der Opernstiftung hinüberretten.

„Körper der Verwandlung" – dieses Motto wurde mit Bedacht für die letzte Premiere gewählt. Suggeriert es doch, dass jedes Ende zugleich einen Neubeginn beinhaltet. Stirb und werde. Adolphe Binder hat bis zuletzt gekämpft für ihr Ensemble. Als Streiterin für den zeitgenössischen Tanz hat sie sich Anerkennung erworben, als Ballettdirektorin blieb sie freilich ohne Fortune. Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig. Nachdem die letzte Chefchoreografin Blanca Li frühzeitig das Handtuch geworfen hatte, war die Situation verfahren.

Ein Ensemble, das dem zeitgenössischen Tanz in seiner ganzen stilistischen Bandbreite verpflichtet ist, das war Adolphe Binders ambitioniertes Ziel. Aber keiner der Versuche, Anschluss an aktuelle Strömungen zu finden, vermochte wirklich zu überzeugen. Was da gezeigt wurde, lief zumeist dem Zeitgeist hinterher, war seicht, gefällig und pseudo-hipp. Die geschwächte Truppe abzuwickeln, war dann ein Leichtes.

Ein zäher Überlebenskampf liegt hinter den Tänzern, das war bei dieser letzten Premiere deutlich zu spüren. Mit Ingun Bjornsgaard und Meryl Tankard wurden zwei international bekannte Choreografinnen eingeladen. Die Arbeiten der Norwegerin und der Australierin verhalten sich wie Nord- und Südpol zueinander. Doch den Kreationen sind Ende und Auflösung anzumerken.

Von fatalen Anziehungen, von dunklen Lockungen handelt Bjornsgaards Choreografie „Der Tod und das Mädchen“. Schuberts berühmtes Streichquartett wird eingerahmt von Kompositionen Luigi Nonos und George Crumbs. Im Jargenow-Quartett, das am Bühnenrand platziert ist, haben die Tänzer einen kraftvollen Partner. Bjornsgaard hat gar nicht erst versucht, das Gedicht von Matthias Claudius symbolisch auszudeuten – einem wilden Knochenmann fallen die tanzenden Mädchen nicht in die Arme. An „zart Gebild“ erinnern die verträumten Geschöpfe aber schon: Unter den blauen Kleidchen wippt ein Tutu. Ballettfloskeln werden zitiert und dann expressiv umgebogen. Die Norwegerin zeigt Körper, die aus dem Lot kippen, prekäre Balancen, gebremste Höhenflüge und brutale Abstürze.

Bjornsgaard will eine drückende, beklemmende Atmosphäre schaffen, die von banger Erwartung und latenten Ängsten durchzogen ist. Doch der Tanz verliert sich ins Ungefähre. Wenn endlich die Treibjagd der Geschlechter eröffnet wird, wirkt das nur banal.

Der Traum von einem anderen Körper: Meryl Tankard wurde von den Sirenengesängen der Komponistin Meredith Monk zu ihrem Stück „@north“ angeregt. Spiegelnde Wasserflächen, ein schwebendes Quallenballett: Der Fotograf und Videokünstler Régis Lansac schafft imaginäre Räume. Tankard greift animalische Bewegungen auf, die Tänzer gleiten bäuchlings über den Boden, werden zu fliegenden Fischen, stelzen auf Vogelbeinen.

Anna Sappho Polychronopoulou gleitet im weißen Abendkleid als Nixe durch die Meditation. In Wellen fließt die Energie durch die Körper. Der Sprung in die Gegenwart bedeutet dann den Verlust der Anmut. Hysterische Party-People, aufgeregtes Geplapper und Geflatter, aggressive Spiele. Ein Tänzer mit Kapuze watschelt wie eine Ente und fällt jedes Mal auf die Fresse – eine traurige Nummer, von den anderen beklatscht. Die Drehbühne kreist, die Tänzer stehen Kopf, Plastikspielzeug fliegt herum. Am Ende rieselt Kunstschnee auf das Zivilisationselend.

Es bleibt bei grellen Effekten. Die Vogelfrauen werden doch wieder zu aufgeregten Hühnern. Und auch die riesigen Schmetterlinge, die in endloser Reihe als Projektion vorüberziehen, bleiben ein uneingelöstes Versprechen. Verpuppung und Verwandlung – das gelingt den Tänzern bei ihrer Abschiedsvorstellung nicht. Das BerlinBallett verflattert sich einfach.

Wieder am 28.April, 3., 6., 15. und 22. Mai.

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