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Barocke Festgesellschaft: Dido & Aeneas von Henry Purcell.
© dpa

Opernkritik: Feuchter Traum in der Waldbühne

In der Waldbühne: Sasha Waltz’ choreografische Oper „Dido & Aeneas“ berührt und versöhnt

Ein großes Sommernachtsfest sollte es werden, doch das Wetter spielte nicht mit. Ein Temperatursturz und anhaltender Regen begleitete die Aufführung von „Dido & Aeneas“ in der Waldbühne – es war der Herzenswunsch von Sasha Waltz gewesen, ihre gefeierte choreografische Oper einmal open air aufzuführen. Aber die Berliner erwiesen sich als intelligente Spezies, die sich an ihre Umweltbedingungen anzupassen weiß.

In ihren bunten Regenhäuten und Thermosocken sahen sie aus wie die Mitglieder einer Umweltgruppe, die sich nicht von einer Exkursion durchs Feuchtbiotop abbringen lassen will. So viel Entschlossenheit wurde letztlich belohnt. Pünktlich zu Beginn des Vorprogramms hörte es auf zu schütten. Die sogenannte „Ouvertüre“, moderiert von Starsopranistin Annette Dasch, plätscherte dann allerdings dahin und entpuppte sich als plumpe Werbeveranstaltung des Radialsystems V, das am 9. September sein fünfjähriges Bestehen feiert. Als es danach noch eine Wartezeit von einer halben Stunde bis zum Beginn der Aufführung zu überbrücken galt, regte sich Unmut beim doch so amüsierwilligen Publikum.

Sie wurden versöhnt von den Nymphen und Wassergöttern, die sich im berühmten Prolog von „Dido & Aeneas“ ihren Unterwasserliebesspielen hingeben: Golden leuchtende Körper gleiten umeinander und lösen sich wieder voneinander. Das ist wunderbar sinnlich. Dazu zaubern die Musiker der Akademie für Alte Musiker unter der Leitung von Chris Moulds herrlich transparente Klangbilder. Ein Wohlgefühl stellt sich gar ein, als das formidable Vocalconsort Berlin sein „Fear no Danger“ anstimmt. Es versichert Dido, der Königin von Karthago, die in Liebe zu Aeneas entbrannt ist, sie habe nichts zu fürchten.

Nun ist die Waldbühne keineswegs ideal für eine Tanzperformance. Aus der Entfernung lassen sich zwar die großen Linien der Gruppenbewegungen erkennen, das Wogen und Wachsen der Leiber, die verschlungenen Körper-Ketten und -Staffelungen, doch die kleinteiligen Szenen verläppern sich. Wohl deshalb werden die Aktionen auf der Bühne auf LED-Leinwänden rechts und links der Bühne übertragen. Der „Live-Remix“ des Filmemachers Karsten Liske soll eine zusätzliche visuelle Ebene schaffen, doch man hätte sich konsequentere Close-ups gewünscht. Die Montage der Bilder wirkt wie ein Hinterherhecheln hinter dem Tanz, dieser flüchtigen Kunstform.

Der dunkelhäutigen Dido-Sängerin Aurore Ugolin stellt Sasha Waltz zwei Tänzerinnen als Alter Egos zur Seite: Clémentine Deluy, in der ein inneres Feuer zu lodern scheint, und die zartbeseelte Michal Mualem verkörpern die unterschiedlichen Facetten der unglücklich Liebenden. Der Aeneas des markanten Reuben Willcox findet wiederum in Virgis Puodziunas ein sehnsüchtiges Echo.

Erfreuen kann man sich auch an der barocken Festgesellschaft in ihren extravaganten Kostümen, die sich der höfischen Dressur mal kurz entledigt. Wie überhaupt Waltz’ Inszenierung der Oper von Henry Purcell (1659–1695) bei aller Tragik sehr heiter und unbeschwert daherkommt. Wenn allerdings Aurore Ugolin zum Schluss ihr Lamento „When I’m laid in Earth“ singt und hinter einem Schleier aus Haar verschwindet, wenn Sasa Queliz Didos Scheiterhaufen anzündet, berührt das tief. Untergehen kann man hier in den Wellen der Liebe – ein Versöhnungsangebot an die Zuschauer für den lieblosen Auftakt. Sandra Luzina

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