"Sehnsucht": Fataler Flirt in der Provinz
In "Sehnsucht" erzählt Autorenfilmerin Valeska Grisebach eine schnörkellose Liebestragödie. Mit Brandenburg als Kulisse zeigt der Film Kino mit Tiefgang.
Berlin - Die jungen Eheleute Markus (Andreas Müller) und Ella (Ilka Welz) gelten in ihrem Dorf als Traumpaar. Seit sie denken können, sind die beiden unzertrennlich. Doch dann zieht Markus eines Nachts durch den Nachbarort. Dort trifft er auf Rose (Anett Dornbusch), mit der er eine heiße Liebesnacht verbringt. Aus dem unverbindlichen Flirt entwickelt sich bald eine handfeste Affäre. Markus ist hin- und hergerissen zwischen ehelicher Routine und verbotenem Abenteuer.
Im spröden brandenburgischen Hinterland fand Valeska Grisebach den richtigen Schauplatz für ihr romantisches Melodrama "Sehnsucht". In ihrem zweiten Kinofilm erzählt die Autorenfilmerin eine Geschichte, die genauso karg und kühl ist wie der Landstrich, in dem sie spielt. Genau wie in ihrem viel beachteten Debüt "Mein Stern" setzte die junge Regisseurin vor der Kamera auf ortsansässige Amateure. Dieser Schachzug verleiht der Handlung einen weiteren authentischen Schub.
Grisebachs Dreiecksgeschichte wirkt weder konstruiert noch fern der Realität. Auch abseits des 200-Seelen-Dorfes von Markus und Ella ist ein derartiger Seitensprung jederzeit denkbar. Aber nur an einem beschaulichen Ort wie diesem hat er die dramaturgisch notwendige Größe, um zu einer Tragödie im Stil eines provinziellen "Romeo & Julia"-Dramas aufgebauscht zu werden. Zumindest bei der Dorfjugend hat Markus' Affäre einen so tiefen Eindruck hinterlassen, dass die Kinder in der finalen Filmszene von ihr wie von einem Mythos sprechen.
Mit "Sehnsucht" ist Grisebach ein realistischer Liebesfilm gelungen, bei dem die Darsteller die beinahe dokumentarisch anmutende Atmosphäre zusätzlich untermauern. Zudem nimmt sich die junge Filmemacherin immer wieder Zeit, in langen Einstellungen die Landschaft Brandenburgs ausgiebig zu präsentieren.
"Sehnsucht" ist kein Film der großen Worte oder überraschenden Wendungen. Markus versucht, seine moralischen Konflikte ausschließlich innerlich zu bewältigen. So bleibt es denn auch ein Rätsel, was ihn zu der eher unattraktiven und langweiligen Rose treibt. Vermutlich ist es tatsächlich die Titel gebende Sehnsucht, die den Wunsch in ihm nährt, wenigstens für kurze Zeit aus dem eingefahrenen Alltagstrott auszubrechen.
Wegen der "unverstellten Lebensechtheit seiner Figuren" konnte "Sehnsucht" in diesem Jahr bereits die Jury des 2. Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen überzeugen. Dort gewann die Liebestragödie den mit 50.000 Euro dotierten Filmkunstpreis. (tso/ddp)
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