Graphic Novel: Fasziniert vom Untergang
Lukas Jüliger hat mit „Vakuum“ ein melancholisches Debüt gezeichnet, an dem alles stimmt. Nur im Leben seiner Protagonisten stimmt nichts: Alles, wofür die sich noch begeistern können, ist ihr eigener Untergang.
„Ich bin ziemlich glücklich“, sagt Lukas Jüliger mit Blick auf sein Comic-Debüt, und das klingt ein bisschen so, als wollte er sagen: Ich bin glücklich, dass die Arbeit daran endlich beendet ist. Immerhin hat sich der 24-Jährige zwei Jahre lang voll und ganz auf „Vakuum“ konzentriert. Sogar sein Illustrationsstudium an der HAW Hamburg hat er pausieren lassen, um nicht vom Schreiben und Zeichnen abgelenkt zu werden. „Von zehn Uhr morgens bis mindestens zwei Uhr nachts habe ich gearbeitet“, erzählt Jüliger. „Meist länger.“ Die letzten drei Monate, in denen es vor allem ums Kolorieren ging, sei er völlig erschöpft gewesen. „Aber es musste zu Ende gebracht werden“, sagt er, „sonst wäre ich danach nicht mehr glücklich geworden.“
Am Ende hat sich die zweijährige Hingabe gelohnt: An Jüligers Debüt stimmt einfach alles. Der melancholische Zeichenstil zwischen Van-Gogh-Gemälde und Ligne claire gibt der leisen Coming-of-Age-Geschichte ihr bestmögliches Gewand. Die hat Jüliger in einer langweiligen Kleinstadt angesiedelt - in einer Welt, die seiner rheinland-pfälzischen Heimat Bad Neuenahr nicht unähnlich ist. 2009 ist ihr Jüliger mit seinem Umzug nach Hamburg entkommen - seine Figuren haben weniger Glück.
Ein Mädchen und zwei Jungs sitzen in der Tristesse fest, die bald von der Vergewaltigung einer Mitschülerin und dem Selbstmord des Täters erschüttert wird. Frustriert versinken die Jugendlichen zusehends in ihrer Perspektivlosigkeit. Sie geben sich Drogen hin, streifen planlos durch die Wälder, füttern Tiere mit Fastfood. Einer von ihnen zertrümmert all seinen Besitz, um sich danach schweigend aus der Welt zu lösen. Die zwei anderen verlieben sich, aber auch das rettet sie nicht: „Vakuum“ erzählt von Heranwachsenden, deren einzige Begeisterung ihrem eigenen Untergang gilt. Dabei bleiben viele fantastische Elemente uneindeutig. Woher zum Beispiel das magische Loch kommt, an dem die Figuren eine Zeit lang Zuflucht suchen, erschließt sich nicht. Aber der Interpretationsspielraum ist es, mit dem sich die Graphic Novel nachhaltig einprägt.
„Es ist eine Geschichte, die aus meinen Untiefen kommt“, sagt Jüliger. In ihre Entstehung hatte kaum jemand Einblick. „Es wussten natürlich alle, dass ich an dem Comic arbeite. Aber ich wollte nicht, dass von außen zu sehr Einfluss darauf genommen wird. Der Band sollte 100 Prozent von mir sein.“ Mit dieser eigenbrötlerischen Arbeitsweise hat nicht nur der Zeichner alles richtig gemacht. Auch sein Verlag Reprodukt, der ihm diese Freiheit einräumte, hat ein gutes Gespür für Talent bewiesen.
Wie es jetzt nach „Vakuum“ weitergeht, weiß Lukas Jüliger noch nicht. Da ist er ähnlich perspektivlos wie seine Figuren. Nur im wichtigsten Punkt unterscheidet er sich von ihnen: „Ich bin seit Langem mal wieder sehr ruhig und entspannt.“ Und glücklich.
Lukas Jüliger: Vakuum, Reprodukt, 112 Seiten, 20 Euro, ISBN: 978-3-943143-15-7. Lukas Jüligers Website findet sich hier.
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