Wissenschaftscomic: Evolutionäre Zeichen
Fast fünf Jahre hat der Berliner Zeichner Jens Harder an seinem Buch über die Geschichte des Universums gearbeitet. Jetzt liegt das Ergebnis vor: größenwahnsinnig, opulent und großartig.
Die Geschichte der Welt zwischen zwei Buchdeckeln, 14 Milliarden Jahre auf gerade einmal 350 Seiten: ein größenwahnsinniges Unternehmen. Jens Harder, von dem die Illustrationen stammen, nennt sein Projekt selber einen „Witz“.
Passend zum Darwin-Jahr hat der Berliner Zeichner das Entstehen des Universums abgebildet, vom Urknall und den Sternen über Planeten und Meere, Fortpflanzung, Moostierchen, Schwämme und Stachelhäuter des Kambiums, Algen, Korallen und Amphibien des Paläozoikums, den Flugsauriern des Mesozoikums, Kometen, Eiszeiten und anderen Apokalypsen bis zu den säbelzahnigen frühen Säugetieren des Känozoikums.
Fast fünf Jahre hat Harder, Absolvent der Kunsthochschule Weißensee und Mitgründer der Comicgruppe Monogatari, an seiner evolutionären Bildstrecke gearbeitet,
die Darwins systematischem Denken folgt und doch immer wieder von der Strenge der Naturwissenschaft abschweift ins Reich des Phantastischen, Surrealen und Mythologischen, zu Albrecht Dürer, Goya, Doré, Magritte und Van Gogh, die genauso zitiert werden wie Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ und der „Jurassic Park“ von Steven Spielberg.
Ein „Witz“ sei sein Vorgehen, schreibt Harder im Nachwort seines opulenten, so großformatigen wie großartigen Comic-Bandes „Alpha“, weil bei grob geschätzten zweitausend Zeichnungen eben auf alle sieben Millionen Jahre nur ein Bild komme.
Der Wissenschaftscomic, bislang nur in Frankreich erschienen, ist anmaßend, aber das waren schon die Schedel’sche „Weltchronik“ und Joachim Patinirs „Weltlandschaften“, die vor 500 Jahren versuchten, alle Phänomene der sichtbaren Welt in Bilder zu übersetzen. Harder zeichnet mit altmeisterlicher Akribie, mit ihren breiten Umrissen erinnern seine Bilder an Holzschnitte. Ihre Botschaft: Die Welt ist vergänglich, alles fließt.
Jens Harder: Alpha, Actes Sud, Arles 2009, 357 S., 39, 50 €
Mehr Informationen über Jens Harder und seine anderen Arbeiten unter www.hardercomics.de.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 11. März 2009)
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