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Kultur: Ettore Scola: Nachfahr, Vorfahr

Als er 1974 den Film "Wir waren so verliebt" drehen wollte, da holte er auch die Meister vor die Kamera, in die er selbst immer "so verliebt" war: Fellini und de Sica. Und fehlen durfte auch nicht Marcello Mastroianni, weil es um nichts weniger ging als um eine Bilanz: des italienischen Kinos, der italienischen Linken, wo wäre da jemals ein Unterschied gewesen.

Als er 1974 den Film "Wir waren so verliebt" drehen wollte, da holte er auch die Meister vor die Kamera, in die er selbst immer "so verliebt" war: Fellini und de Sica. Und fehlen durfte auch nicht Marcello Mastroianni, weil es um nichts weniger ging als um eine Bilanz: des italienischen Kinos, der italienischen Linken, wo wäre da jemals ein Unterschied gewesen. Sie fällt 1974 so bitter aus wie 1980 in "Die Terrasse". Doch während Mitte der siebziger Jahre die Niederlage der Utopie noch mit den schillernden Farben der Satire einigermaßen schön gemalt werden kann, herrscht unter den Intellektuellen auf der Terrasse die schiere Resignation; ihre Selbstanklagen dienen nur noch der Selbstrechtfertigung.

Ettore Scola hat sich und sein Publikum nie um die Wirklichkeit betrogen. In der süditalienischen Provinz Avellino geboren, kommt der Sohn eines Arztes früh nach Rom, studiert (erfolgreich) Jura, denkt aber nie daran, daraus einen Beruf zu machen. Seine Illustrationen und Karikaturen finden sich in der satirischen Zeitschrift "Marco Aurelio", er schreibt an unzähligen Drehbüchern mit, ehe er sich selbst als Autor von Filmkomödien etabliert. Komödien sind auch seine ersten Filme als Regisseur, in denen er vor deftigem Klamauk nicht zurückschreckt.

Erst mit den 70er Jahren findet Scola zu einer Filmsprache, die ihn zum legitimen Erben von Rossellini, de Sica und Fellini macht. "Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen" (Brutti, sporchi i cattivi) ist 1976 eine furios inszenierte und von Nino Manfredi hemmungslos exzentrisch gespielte Farce des sozialen Elends einer typisch römischen Großfamilie: Ein Film, der mit seinen Bildern aus dem Armenhaus Italiens dem Neorealismus ebenso nahe steht, wie er die Erfahrungen der frühen Komödien ohne jede Sentimentalität ausbeutet.

Dem Neorealismus nahe steht dann auch "Ein besonderer Tag", der 1938, als Hitler Mussolini besucht, eine allein gelassene Frau (Sophia Loren) und einen wegen seiner Homosexualität geschassten Radiosprecher (Marcello Mastroianni) zusammenführt. Die unzerstörbare Integrität des Menschen in einer Gesellschaft der Widersprüche, das ist immer wieder der Stoff, aus dem Scolas Filme sind.

Scola, ehemaliges Mitglied der KPI, hat sich stets dagegen gewehrt, seines gesellschaftspolitischen Engagements wegen gerühmt zu werden. Das lasse ihn erröten, sagt er, weil er nur das Selbstverständliche tue. So würde er vermutlich auch den Ruhm von sich weisen, die politische und ästhetische Tradition des italienischen Films weitergetragen zu haben. Aber dieser Nachfahr ist auch ein Vorfahr. Ohne ihn kann man sich Gianni Amelio, Giuseppe Tornatore und auch Nanni Moretti nicht denken. Glückliches Italien.

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