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Junges Blut. Preisträger Marcel Kohler (rechts im Bild) mit Kathleen Morgeneyer im DT.
© Arno Declair

Alfred-Kerr-Darstellerpreis: Es ist einfach gut so, wie es ist

Der 24-jährige Marcel Kohler hat den Alfred-Kerr-Preis 2016 gewonnen. Warum er ihn verdient hat? Das erklärt Schauspielerin und Jurorin Maren Eggert.

Der am Sonntag im Haus der Berliner Festspiele verliehene Alfred-Kerr-Darstellerpreis ist die wohl wichtigste Auszeichnung für Nachwuchsschauspieler im deutschsprachigen Theater. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und wird vom Tagesspiegel mitgetragen. Er wird jeweils an einen jungen Schauspieler oder eine Schauspielerin aus einer der Theatertreffen-Produktionen vergeben. In diesem Jahr war Maren Eggert vom Deutschen Theater die Alleinjurorin.

Mein ganzes bisheriges Schauspielerleben hat mich diese Frage beschäftigt: Warum wird ein Mensch Schauspieler, will es unbedingt sein, sieht gar keine andere Möglichkeit? Warum reiben sich immer wieder ganze Reihen von jungen Leuten an diesem schwierigen und unbequemen Beruf auf? Und warum bleiben sie Schauspieler, wenn sie älter geworden sind? Trotz allem.

Als ich gefragt wurde, ob ich gerne den diesjährigen Kerr-Preisträger wählen würde, ahnte ich nicht, dass mich diese schöne Aufgabe genau auf diese Fragen zurückwerfen würde – so niedergeschrieben klingt das seltsam, denn es ist naheliegend, und doch war es so

Ich wollte naiv an die Sache gehen

Ich beschloss, die Sache so naiv wie möglich anzugehen. Ich habe niemanden gegoogelt und keinerlei Vorauswahl getroffen oder Ähnliches. Ich habe mir einfach alle zehn Aufführungen angeschaut. Insgeheim hoffend, dass etwas mit mir passieren würde. Doch die Sache ist komplizierter. Ich bin nicht mehr der naive Zuschauer, der ich vielleicht mal irgendwann war, und noch eines stelle ich fest: Auch die jungen Schauspieler dürfen fast nirgends mehr einfach nur jung sein. So viele Fertigkeiten – und fast möchte ich sagen Tricks und Kniffs – werden ihnen hier von der Regie abverlangt, dass man sie selber kaum noch sehen kann.

Dabei gibt es hinreißende Momente, etwa in „der die mann“, wo ich bis aufs Blut entschlossene Kollegen sehe, kopfüber im Fritsch-Kosmos, die ich für ihre Kraft und Fitness und Schnelligkeit bewundere und die ich unglaublich komisch finde. In einem anderen schönen Moment im „Schiff der Träume“ rollt sich eine junge Kollegin auf dem Salatbett einer Servierplatte zusammen, wo eben noch ein Hummer lag, dessen Tod sie als Veganerin betrauert. Oder Dimitrij Schaad, der in „The Situation“ verblüffend selbstbewusst und überraschend in einem langen und gekonnten Monolog dem Publikum seine eigene Lebensgeschichte erzählt.

Dann sehe ich Marcel Kohler in „Väter und Söhne“. Diese Begegnung ist keine mit Knalleffekt. Ich werde vielmehr ganz langsam im Laufe des vier Stunden andauernden Abends auf ihn aufmerksam. Denn Marcel Kohler ist kein Blender. Er ist einfach da. Er stellt sich zur Verfügung. Sein Spiel ist gänzlich unkorrupt und dadurch: jung. Er will einfach nur seine Figur verteidigen. Und dann denke ich, mehr braucht ein begabter Schauspieler eigentlich auch nicht, nur einen Abend, an den er glauben kann, und eine Figur, die er verteidigen möchte. Und einen Regisseur, in diesem Fall die Regisseurin Daniela Löffner am Deutschen Theater, die ihn lässt.

Die Frage nach dem Warum verstummt

Geradezu rührend scheitert der Nihilismusausflug seines Arkadij an seiner eigenen Menschlichkeit, die ihm immer wieder in die Quere kommt. Was ihn ärgert und wütend macht, was ihn verzweifeln lässt und zu guter Letzt rettet.

Ich gehöre selber zum Ensemble des Deutschen Theaters, aber das tut hier nichts zur Sache. Es freut mich zu sehen, wie zugewandt dieses Spiel ist und wie wichtig und wertvoll Kohler ganz offensichtlich seine Spielpartner sind. Und für diesen Moment frage ich mich nicht mehr, warum ein Mensch Schauspieler ist. Es ist einfach gut so, wie es ist. Es gibt in der Aufführung ein Lied, das Arkadij und Katja singen, es beschreibt in seiner Energie und Unabhängigkeit aufs Schönste das Wesen der Liebe.

In der darauffolgenden Szene unterhalten sich die beiden. Katja fragt: Soll ich Ihnen mal ehrlich sagen, was ich glaube? – Arkadij: Was denn? – Katja: Sie sind noch sehr unreif. Aber das gibt sich mit der Zeit. Ich sehe den beiden zu, und denke: hoffentlich noch nicht so bald. Herzlichen Glückwunsch, Marcel Kohler!

Maren Eggert

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