Komödie "Nur ein kleiner Gefallen": Erst mal ein Martini
Regisseur Paul Feig zeigt sich mit der Suburbia-Noir-Komödie „Nur ein kleiner Gefallen“ von seiner dunklen Seite.
Eine Autostunde nördlich von Manhattan beginnt das Amerika der manikürten Vorgärten und Doppelgaragen. Die Einwohner von Connecticut, im erweiterten Speckgürtel New Yorks sehen so einheitlich aus wie die sauber abgezirkelten Grundstücke in den SUV-flankierten Vorstadtstraßen. Die Demografie ist sehr weiß und sehr reich. Eine blendende Erscheinung wie Emily fällt hier auf wie ein Paradiesvogel, nicht nur, weil sie vor der Schule ihres Sohnes im wenig familientauglichen Porsche vorfährt.
Blake Livelys erster Auftritt in „Nur ein kleiner Gefallen“ ist großes Kino. In Zeitlupe schwingt sie sich aus ihrer Rennschleuder und tänzelt stilistisch exquisit (Fedora, ärmelloser Anzug, Louboutins) auf die Gruppe tuschelnder Supermoms in ihren Strickjacken und Freizeitoutfits zu. Das Kind wird schnell in den Wagen verfrachtet, Mami braucht unbedingt einen Drink (Martini ohne Schnickschnack, mit anderen Worten: Gin pur). Es ist ja auch schon nach Mittag. Eher unfreiwillig im Schlepptau hat sie die Mutter des neuen Spielgefährten ihres Sohns. Stephanie (Anna Kendrick) betreibt in der Freizeit einen Hausfrauen-Videoblog und kauft sich ihre Ringelsöckchen im Zehnerpack.
Von "Brautalarm" bis "Ghostbusters"
Regisseur Paul Feig ist Spezialist für das noch relativ junge Genre der weiblichen Buddy-Komödie. Mit „Brautalarm“ entdeckte er vor sieben Jahren eine Erfolgsformel, die sich seitdem in wechselnden Besetzungen – Kristen Wiig, Sandra Bullock, Rose Byrne und immer wieder die so unerschrockene wie fulminante Melissa McCarthy – bewährt hat. Mit seinem „Ghostbusters“-Remake machte er sich zuletzt unter männlichen Fans des Originals wenig Freunde, weil er die Rollen der Geisterjäger mit Frauen besetzte.
„Nur ein kleiner Gefallen“ entspringt eher der dunklen Seite Feigs, die amerikanische Vorstadt gilt schließlich seit Douglas Sirk als der exemplarische Ort, an dem sich unterdrückte Begehren, einmal freigesetzt, unkontrolliert Bahn brechen. Emily und Stephanie sind wahrlich beste Freundinnen from hell, die Chemie zwischen Kendrick (mauerblümchenhaft-neurotisch wie immer) und Lively (nie besser und fieser) durchläuft wechselnde, dramaturgisch perfekt orchestrierte Aggregatszustände. „Emily wird die arme Stephanie bei lebendigem Leib fressen“, flüstern die anderen Mütter, die in dieser Suburbia-Noir-Komödie den griechischen Chor geben.
Und dann verschwindet Emily von einen Tag auf den anderen, lässt Mann (Henry Golding), einen Bestsellerautor mit Schreibblockade, Kind und ihren gut bezahlten Verlegerjob für einen Stardesigner (Rupert Friend hat Schneid als Westentaschen-Tom-Ford) zurück. Stephanie verwandelt ihren Videoblog für Kochrezepte und Freundschaftsbändchen mit ihrem unverwüstlichem Supermom-Pragmatismus in einen True-Crime-Podcast. Die Klickzahlen steigen mit der zunehmenden Gewissheit, dass Emily eine dunkle Vergangenheit hat.
Nach seinen Brachialkomödien beweist Paul Feig mit „Nur ein kleiner Gefallen“, dass er auch den satirischen Feinschliff beherrscht. Die Dialoge von Autorin Jessica Sharzer sind scharf und gedankenschnell, leicht überkandidelt umspielt vom hüftschwingenden Frenchpop einer Brigitte Bardot oder France Gall; es gibt allerdings auch eine tolle Karaoke-Einlage von Anna Kendrick zum THC-Gangstarap von Cypress Hill.
Helikoptermutter und Karrierefrau - geht das zusammen?
Feig nimmt sein „Gone Girl“-Motiv ernst, stellt die Groschenroman-Qualitäten von Darcey Bells Vorlage aber an den richtigen Stellen scharf. Denn der Krimiplot liefert natürlich nur eine Steilvorlage für die drängenden Probleme unserer Zeit. Zum Beispiel, wie sich die gesellschaftlichen Rollen von Helikopter- und Karrieremutter miteinander vereinbaren lassen. Der Rat von „Frauenversteher“ Feig: den Tag am besten mit einem starken Martini beginnen.
In 12 Berliner Kinos. OV: Cinestar SonyCenter, OmU: Kino in der Kulturbrauerei
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