Alberto Zedda dirigiert Rossinis "Tancredi": Ergebene Jünger
Alle Glaubwürdigkeit muss von der Musik ausgehen: Alberto Zedda dirigiert Rossinis „Tancredi“ an der Deutschen Oper.
Es gibt Abende, an denen der Auftrittsapplaus alles überwiegt, was danach noch an Beifall kommen kann. Als Alberto Zedda das Dirigentenpult der Deutschen Oper erklimmt, umspült ihn eine Welle von Verehrung. Sie gilt einem vitalen 84-jährigen Musiker, der zärtlich-unbeirrbar seine große Liebe lebt: die Musik Rossinis. Zeddas Leuchten hat manch tristen Opernabend erhellt und seinem Lebenskomponisten neue Anhänger beschert. Denn Rossini bleibt ein großer Unbekannter, dessen ernste Opern selten auf die Bühne finden und es bislang nicht in den Kanon des Musiktheaters geschafft haben. Zeddas Schuld ist das nicht. Nach seinem Erfolg für „Semiramide“ 2003 wurde er wiederholt an die Deutsche Oper eingeladen – doch nicht immer sprang er ins Haus über, der Rossini-Funke. Aber wenn, setzte sich aus Melodiesplittern das ganze Welttheater zusammen. Ein Sieg der Geistesgegenwart über die Trägheit des Herzens und der Theatermaschinerie.
Nun ist es gelungen, Zedda noch einmal nach Berlin zu locken. Ein ursprünglich mit dem Rossini-Festival in Pesaro koproduzierter „Otello“ erwies sich als nicht exportfähig, zumal mit der Demission von Renato Palumbo der Dirigent der Produktion abhanden kam. Doch in den Magazinen von Pesaro fand sich noch etwas, für das sich Zedda begeistern konnte: „Tancredi“, Rossinis Experiment mit der opera seria, fulminanter Auftakt zu einer Reihe ernster Opern aus der Hand des Experten für Leichtes. Dass Pier Luigi Pizzis Inszenierung von 1999 datiert, nahm man billigend in Kauf.
Der Regisseur des Abends heißt ohnehin Alberto Zedda. Und vielleicht scheint die große Kunst, die sich hinter dem überschaubaren Repertoire von Rossinis Harmonien und Melodien verbirgt, am besten in „Tancredi“ auf. Das Musikdrama nach Voltaire existiert in zwei Fassungen, mit glücklichem und tragischem Ende. Denn so sehr es Rossinis Zeitgenossen nach unheilvollen Verstrickungen gelüstete, einen Tragödienschluss wollten sie nicht erleben. Ihn dennoch zu wagen, galt als avantgardistisch. Erst die romantische Oper sollte es ihren Helden erlauben, massenhaft das Zeitliche zu segnen. Zedda, der die Wiederentdeckung von Rossinis ernsten Opern prägte, dirigiert die tragische „Ferrara-Fassung“, die er bereits 1996 an der Staatsoper vorstellte.
Bei der Ouvertüre verwandeln sich Zedda und das blendend aufgelegte Orchester der Deutschen Oper zu ergebenen Jüngern des Alchemisten Rossini. Eine quecksilbrige Musik fern jedes Naturalismus, Theater durch und durch. Es ist nur ein Mensch, der sich rückhaltlos diesem Klangraum ausliefert: Patricia Ciofi als Amenaide. Von allen der Untreue geziehen, in einer vor lauter Ehrpusseligkeit ehrlosen Kriegergesellschaft, versucht sie Unmögliches – die Unschuld des Herzens zu wahren. Ciofi durchmisst alle Ausdruckmöglichkeiten, von antikischer Stilisierung bis zu rührender Zartheit.
Dagegen fällt alles ab, naturgemäß. Doch es gibt weitere Pluspunkte: Der Chor unter William Spaulding hat Rossini noch nie so transparent intoniert, so reaktionsschnell. Auch die Stipendiatin Clémentine Margaine als Vertraute Amenaides taucht ihre Arie in bewegende Klarheit. Hadar Halévy als Tancredi hat es da schwerer, mit ihrem schmalen Mezzosopran schlagend durchzudringen. Sie wirkt am stärksten im Duett, der einzigen Verbindung, die den unglücklich Liebenden vergönnt ist. Alexey Dolgov bringt für die ambivalente – und daher dankbare – Vaterrolle des Argirio weder ausreichend stimmliche noch darstellerische Präsenz mit. Ein Wort zur Regie? Pier Luigi Pizzi, der Architekt, hat es in Italien zum Theatergott gebracht. Er lässt nackte Füße (Frauen) und Knobelbecher (Männer) auf eine Szenerie stellen, die auch das Forum Mussolini sein könnte. Man hantiert, ohne Theaterhandwerk zu bemühen. Alle Glaubwürdigkeit muss von der Musik ausgehen. Alberto Zedda schultert diese Last, die sein Leben ist, mit einem Lächeln. A presto, Maestro!
Wieder am 26. 1. sowie 1. u. 4. 2.
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