Berlinale, Stiftung Deutsche Kinemathek, Arsenal & Dffb: Entsteht ein zentrales Filmhaus für Berlin?
Ab 2018 gehört der Parkplatz neben dem Martin-Gropius-Bau dem Bund. Nun steht die Idee im Raum, dort ein zentrales Berliner Filmhaus zu errichten. Die Kosten werden auf 100 Millionen Euro geschätzt.
Bei der Unterzeichnung des Hauptstadtfinanzierungsvertrags am letzten Montag war plötzlich die Rede von einem Parkplatz – und Finanzminister Wolfgang Schäuble blätterte irritiert in seinen Unterlagen. Parkplätze sind in Berlin noch keine Mangelware, im Gegensatz zu erschwinglichen Mietwohnungen. Doch der Parkplatz vor dem Martin-Gropius-Bau ist ein Politikum, seit Berlinale-Chef Dieter Kosslick ihn im Februar als möglichen Standort für ein zentrales Berliner Filmhaus ins Spiel brachte. Ab 2018 gehört das Grundstück nun dem Bund – ein Vorzeichen?
Kulturstaatsministerin Monika Grütters zeigt sich aufgeschlossen gegenüber der Vision. „Ein Filmhaus für Berlin, in dem die Berlinale Platz findet, die Stiftung Deutsche Kinemathek, das Arsenal und vielleicht auch die Dffb, halte ich für eine gute Idee. Sie steht und fällt aber mit dem richtigen Standort und natürlich mit der Finanzierung“, sagte sie dem Tagesspiegel.
Das Projekt wird schätzungsweise 100 Millionen Euro kosten
Dass der Martin- Gropius-Bau 2018 in den Besitz des Bundes übergeht, sollte Verhandlungen etwa hinsichtlich des Baurechts auf dem Grundstück erleichtern. Die Berlinale, die mit ihren Büros momentan noch gegenüber vom Filmhaus sitzt, wird ebenso vom Bund getragen wie zwei der drei Institutionen, die derzeit im Filmhaus am Potsdamer Platz residieren: die Stiftung Deutsche Kinemathek mit dem Filmmuseum und das Institut Arsenal, das das Kino Arsenal betreibt und das Forum der Berlinale ausrichtet. Nur die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (Dffb) untersteht dem Senat. An Interesse mangelt es auch dort nicht. Senatskanzleichef Björn Böhning bestätigte dem Tagesspiegel, dass die Stadt ein solches Projekt positiv begleiten würde, sollte die Finanzierung seitens des Bundes gewährleistet sein. Geschätzte Kosten: 100 Millionen Euro.
Es ist ein guter Zeitpunkt, sich über die Zukunft des Filmhauses Gedanken zu machen. 2025 läuft der Vertrag mit den Eigentümern des Sony-Centers aus. Deutlich stärker drängt die Zeit für die Berlinale. Im Dezember 2018 endet der Vertrag für die Büroräume in der Potsdamer Straße, die Verhandlungen für eine Verlängerung bis 2022 laufen. Dann läuft auch der Mietvertrag der Stage Entertainment für das Musical Theater aus, das als Berlinale- Hauptspielort dient.
Hochfliegende Filmstadt-Ambitionen waren im Senat noch undenkbar, als vor über 30 Jahren erstmals Pläne für ein Filmhaus angekündigt wurden. Auf dem Gelände des ehemaligen Hotel Esplanade am Rand des Tiergartens sollte eine Art Campus entstehen. Doch dieses „Filmhaus Esplanade“ wurde nie realisiert. Erst kam der Mauerfall dazwischen, nach der Wende der Bau des Sony-Centers. Und so wurde das Filmhaus schließlich in ein Bürogebäude mit Event-Architektur integriert. Heimisch geworden ist hier keine der Mietparteien.
Immerhin hat sich das Konzept eines gemeinsamen Filmhauses für Kino, Kinemathek und Hochschule in den letzten 15 Jahren bewährt. Die räumliche Nähe ermöglicht einen engen Austausch. Auch der Potsdamer Platz selbst hat sich als Zentrum der Kinometropole Berlin etabliert. Jedes Jahr strömen 100 000 Besucher ins Museum für Film und Fernsehen, während der Berlinale ist der Platz ohnehin für zwei Wochen der Nabel der Filmwelt. Die Berlinale und das Filmhaus-Trio unter einem Dach zu vereinen, unweit des Potsdamer Platzes, dessen Kinos das Festival mit seinen zahlreichen Sektionen auch künftig beherbergen könnten– es ist eine so naheliegende wie schlagende Idee.
Der Platz neben dem Gropius-Bau wäre ideal für das Filmhaus
Trotzdem ist das Filmhaus immer ein Provisorium geblieben. Auf Besucher wirkt das Gebäude wie ein Labyrinth: Das Hauptfoyer liegt unterirdisch, das Filmmuseum verteilt sich über zwei Etagen und lässt eine Besucherführung vermissen. Auch für die Filmschule sind die Räumlichkeiten ungeeignet.
Man hat sich mit den Begebenheiten arrangiert, aber Kinematheks-Direktor Rainer Rother sondierte bereits vor Jahren mit dem Stiftungsrat mögliche Liegenschaften für ein besseres Filmhaus. So stieß man auf den Parkplatz vor dem Gropius-Bau. „Das jetzige Filmhaus funktioniert als Idee nicht. Ein eigenes Gebäude besitzt eine Anmutung und öffnet sich dem Publikum auf eine Art und Weise, die an diesem Standort gar nicht möglich wäre“, sagt Rother.
Der Platz wäre die ideale Location für ein solches Filmforum. Der Standort liegt zentral, der Gropius-Bau ist als Schauplatz des European Film Market ohnehin in die Berlinale eingebunden. Und das 25 000 Quadratmeter große Areal neben dem Gropius-Bau hat eine lange Geschichte. Hier stand bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das Völkerkundemuseum. Für die Kinemathek, das Arsenal und die Dffb wäre es ein echter Neuanfang. Und die Berlinale sähe sich – mit den Worten Kosslicks – als „audiovisuelles Humboldt-Forum“ in bester Tradition.
Ein Neubau wäre auch eine Gelegenheit, das Konzept eines Filmhauses grundlegend zu überdenken. Denn die Frage, was das Kinoerlebnis ausmacht und wie man die Entwicklung des Kinos in einem Museum zeitgemäß darstellen kann, erfordert im Zuge der Digitalisierung andere Lösungen als vor zehn Jahren – in Produktion, Konservierung und Präsentation.
Senatskanzlei-Chef Böhning sieht daher nicht nur pragmatische Gründe für ein Filmhaus. „Die Debatte wird derzeit allein aus Gründen der Synergie- und Kosteneffizienz diskutiert. Was Berlin aber bräuchte, wäre ein Medienzukunftshaus, in dem audiovisuelle Inhalte übergreifend zusammenkommen und sich gegenseitig befruchten.“ Das klingt nach Stadtmarketing, die Überlegung aber ist für das Selbstverständnis eines Filmhauses reizvoll.
Auf der Berlinale werden die strukturellen Umwälzungen in der Kinoindustrie seit Jahren in Panels oder auf dem Filmmarkt thematisiert. Und auch ein Museum, das einen Diskurs über Kino und Fernsehen vorantreiben will, kann sich der digitalen Bilderproduktion nicht mehr verschließen. Wie geht man künftig mit den Angeboten von Screening-Plattformen um? Wie kann man die Filmvermittlung an das heutige Konsumverhalten anpassen? Rother sieht darin eine Chance. „Gemeinsam mit unseren Partnern vertreten wir den Anspruch, uns um die Gegenwart und die Geschichte des bewegten Bildes in allen seinen Formen zu kümmern. Das wird sicher einen Kreativitätsschub für alle beteiligten Institutionen bringen.“
Natürlich fragt sich, ob der Platz überhaupt ausreicht, um den großen Berlinale-Premierensaal, die jetzigen Bewohner des Filmhauses und die Büros der Festivalleitung unterzubringen – oder doch nur Kinemathek, Arsenal und Dffb. So oder so wird es für das Profil des Hauses entscheidend sein, welche Institutionen einziehen dürfen. Kulturpolitische Debatten werden in Berlin gerne mit wirtschaftspolitischen Argumenten aufgeweicht. Ein Filmhaus muss ein Ort der Kultur und des Austauschs sein, keine Repräsentanz für den Wirtschaftsstandort. Eine Hauptstadtzentrale des Medienboards hat darin zum Beispiel nichts zu suchen.
Hier sieht Stefanie Schulte Strathaus vom Arsenal die Stärke des Projekts: „Jede Partei ist sehr geschichtsträchtig und hat dadurch eine starke Identität, die ihren Raum benötigt. Gleichzeitig müssen wir die Gemeinsamkeiten betonen. Durch das Gemeinsame wird auch das Einzigartige der Partner aufgewertet.“
Bis zur Bundestagswahl soll es ein Nutzungskonzept geben
Momentan treffen sich Kinemathek, Arsenal, Dffb und Berlinale in Arbeitsgruppen, um bis zur Bundestagswahl ein Nutzungskonzept vorlegen zu können. Vergangene Woche stieß auch die Filmakademie hinzu. Eine von der Kinemathek in Auftrag gegebene Studie kam bereits zu dem Ergebnis, dass das Areal groß genug für alle Beteiligten sei – allerdings ohne Berlinalepalast.
In Monika Grütters haben die Beteiligten schon mal eine motivierte Schutzherrin gefunden. „Der Bund sollte sich bei der Filmstadt Berlin maßgeblich einlassen, deshalb wäre es wünschenswert, wenn die Idee für ein Filmhaus in unser Wahlprogramm aufgenommen und Gegenstand eines künftigen Koalitionsvertrags würde“, sagte die Kulturstaatsministerin. Nun bleibt abzuwarten, ob Grütters auch nach der Bundestagswahl die Ansprechpartnerin sein wird.
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