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Schwarz-weiße Welten. Eine Seite aus dem besprochenen Band.
© Carlsen

"Emilio Tasso" von Alexander Bühler und Zaza Uta Röttgers: Emilio im Kongo

Alexander Bühler und Zaza Uta Röttgers vereinen Fiktion und Reportage zu einer Räuberpistole über Atompläne im Kongo. Sprachlich ist das manchmal etwas ungelenk, trotzdem lotet das Buch neue journalistische Erzählweisen aus.

Die Atomkraft in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo ist ein kleines, fast vergessenes Kapitel der an Irrsinn reichen Geschichte der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Der Journalist Alexander Bühler hat sie gemeinsam mit der Zeichnerin Zaza Uta Röttgers zu einer Graphic  Novel verarbeitet. „Emilio Tasso. Eine Abenteuerreportage“  ist eine Räuberpistole, die einige reale Hintergründe hat, vor allem aber mit den Bildern von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ spielt. Alexander Bühler ist Krisenberichterstatter und hat seine Recherchen in Flüchtlingslagern, bei Pygmäen und den UN-Blauhelmen fantasievoll weitergesponnen.

Das Buch erzählt die Geschichte des ausgedachten italienischen Journalisten Emilio Tasso, der 2008 relativ ahnungslos in den Kongo aufbricht, um über die sich einmal mehr füllenden Flüchtlingslager nahe der Stadt Goma in der Provinz Nord-Kivu zu berichten. Als Grund für seine Reise geben der fiktive Emilio Tasso und der echte Autor Alexander Bühler eine Begegnung mit dem alten, moralischen Wüterich Jean Ziegler an. Ziegler war Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung. Der Schweizer hatte sich zuvor aber schon einen notorischen Namen gemacht, weil er die Schweizer Verwicklungen in Sachen Raubgold der Nazis aufgedeckt hatte. Ziegler schwärmte Bühler nach einem Interview vom Kongo der 1960er Jahre vor und weckte den Wunsch in ihm, sich das alles einmal selbst anzuschauen.

Regierungstruppen zogen marodierend durch die Dörfer

2008 begannen nach einer Phase relativer Ruhe nach der Präsidentschaftswahl 2006 wieder Kämpfe in der Provinz Nord Kivu, zu der Goma gehört. Der zunächst in die Armee integrierte, dann aber wieder desertierte „General“ Laurent Nkunda hatte mit seiner von Ruanda gebilligten, wenn nicht unterstützten Miliz mehrere Städte erobert, und seine Truppen, aber auch die regulären Regierungstruppen FARDC zogen marodierend durch die Dörfer. Eine neue Flüchtlingswelle machte sich auf in die Lager rund um Goma.

Zaza Uta Röttgers illustriert die Erzählung mit Bildern wie aus ein Reiseskizzenbuch.
Zaza Uta Röttgers illustriert die Erzählung mit Bildern wie aus ein Reiseskizzenbuch.
© Carlsen

Damit beginnt das Buch. Dass Bühler, der es besser wissen müsste, die UN-Agrarorganisation FAO die Flüchtlingslager mit Nahrung versorgen lässt anstatt der tatsächlich dafür zuständigen UN-Organisation, dem Welternährungsprogramm (WFP), ist ein unglücklicher Fehler. Denn dieser Einstieg soll Hintergrund liefern und eine halbwegs plausible Erklärung dafür liefern, warum die Hauptfigur, Emilio Tasso, in ein haarsträubendes Abenteuer gerät.

Pläne aus dem Kalten Krieg

Ein Flüchtling erzählt dem Journalisten von Plänen aus dem Kalten Krieg, dem belgischen König eine Residenz im Dschungel zu bauen, falls er in einem neuen Weltkrieg flüchten müsste. Um die Energieversorgung des Palastes sicher zu stellen, sollte ein kleines  Atomkraftwerk gebaut werden. Belgien war in den 1950er und 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geradezu atomverrückt. Nicht umsonst sind in dem Land sogar die Autobahnen mit Straßenlaternen gesäumt, dem „billigen Atomstrom“ sei Dank. 

Da es im Kongo einen nicht unwichtigen Uranabbau gab, ist die Atomspur also nicht völlig abwegig. Der Journalist findet für einen skrupellosen Milizenführer mit dem Namen Captain Cobra Waggons mit Uran-Brennstoff. Einen Milizenchef mit dem Namen Cobra Matata hat es übrigens im Ostkongo tatsächlich gegeben, allerdings nicht in Nord-Kivu, sondern in der nördlich davon gelegenen Provinz Ituri. Und 2008 war Cobra Matata auch nicht mehr als Milizenchef aktiv, sondern hatte sich gegen eine Amnestie in die Armee integrieren lassen.

Manchmal ungelenk, aber flott geschrieben

Dass die Geschichte gut ausgeht, verdankt Emilio Tasso den Pygmäen, die ihn irgendwie lieb gewonnen haben und hoffen, dass eine Geschichte über ihre ungerechte Behandlung in westlichen Medien ihre Lage verbessern könnte, und einer schillernden Figur, die als Motorradtaxi-Fahrer Roger in die Geschichte eingeführt wird, aber womöglich doch zu einer übergeordneten Polizeibehörde – einer kongolesischen, einer UN-Polizeieinheit oder gar Interpol? – gehört.

Das Cover des besprochenen Bandes.
Das Cover des besprochenen Bandes.
© Carlsen

Die Geschichte ist sprachlich gelegentlich etwas ungelenk, sonst aber flott erzählt. Und die Zeichnungen von Zaza Uta Röttgers, die die Erzählung mit schwarz-weiß Bildern wie aus ein Reiseskizzenbuch illustrieren, machen das Buch zu einer gewinnbringenden Lektüre. Man lernt zwar nicht allzu viel über den Kongo. Aber es ist ein durchaus lohnender Versuch, neue journalistische Erzählweisen auszuprobieren.

Alexander Bühler und Zaza Uta Röttgers: „Emilio Tasso - Eine Abenteuerreportage“, Carlsen, 154 Seiten, 17,90 Euro

Unsere Autorin Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin und Afrike-Expertin des Tagesspiegels. Weitere Artikel von ihr gibt es hier.

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